Für die Ringbahn: BR483/484 in Entwicklung

  • Nachdem ich anfangs ein sehr negatives Verhältnis zu dem Fahrzeug hatte, durfte ich im September '22 einmal in Schöneweide vorne Platz nehmen, seit dem hat sich meine Meinung doch durchaus geändert...

    Deshalb ist mein Interesse natürlich umso größer zu erfahren, ob die Funktionen auch genauso umfangreich werden, wie sie es bei der BR 481 waren.

    Ansonsten verfolge ich diesen Thread natürlich auch mit größter Freude und kann nur schwer den Blick von den Bildern lösen...

  • Update zur Entwicklung vom Neubauzug. Für die im Führerraum befindlichen Displays habe ich die entsprechenden Layouts vor einiger Zeit fertiggestellt.


    d3YXsFd.png


    Über die genaue Umsetzung im Spiel kann ich nix groß zu sagen. Abwarten.


    Bitte beachtet dabei: Ich habe nach realem Vorbild die Layouts umgesetzt. Sie zeigen NICHT den finalen Zustand im Spiel, es sind lediglich die Layouts.


    LG Nick

    Mitglied von TrainTeamBerlin

    Rollmaterial, Führerstände, Objektbau

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  • Hallo zusammen,


    nachdem @icetea2202 schon viele Einblicke in die Entstehung des 3d-Modells gegeben hat, möchte ich mit der Einbindung in den TSC fortsetzen. Im ersten Teil schauen wir uns die Fahreigenschaften etwas genauer an.


    Aus anderer Anwendung im Hauptberuf habe ich ein Simulationsprogramm zur Hand, mit dem ich auf Basis von Fahrzeug- und Streckendaten die Fahreigenschaften von Fahrzeugen nachvollziehen kann (eine Fahrdynamiksimulation). Die erste Hürde war also, einen vollständigen, technischen Datensatz zur BR483/484 zusammenzubekommen - das war nicht ganz einfach, ist aber teils unter Annahmen sehr gut gelungen. Mitunter wurden mir via "Vitamin B" auch ein paar spannende Angaben zugearbeitet, die in den (halb)öffentlichen Unterlagen nicht zu finden sind. Vielen Dank an die Helfer! (Disclaimer: aus diesem Grund verzichte ich in den folgenden Diagrammen auf die Achsenbeschriftungen, um gewisse Rückschlüsse auszuschließen.)


    Basis für die Fahreigenschaften ist wie auch im 481-Addon ein zu 2/3 besetztes Fahrzeug. Danach wurden zunächst mal die "Fleischmassen" bestimmt. Nachdem Leistungsangaben, Zugkraftkurven etc. vorhanden waren, war schonmal klar, was das Fahrzeug bei Spitzfahrt können soll.


    Ich habe zudem einen kleinen, vereinfachten Infrastrukturdatensatz für die S47 zusammengestellt und das Programm mal laufen lassen. Hier Beispielhaft das Eregbnis für eine Fahrt Hermannstr. -> Spindlersfeld, also gar nicht soweit weg von unserem Ringbahnprojekt.



    Der Übersichtlichkeit halber ist die zugehörige Zugkraftkurve ausgeblendet, in blau also der bei Spitzfahrt entstehende Geschwindigkeitsverlauf. Das Tool generiert reichlich mehr Zahlen, so dass auch auf Leistungs-/Strombezug ab Stromschiene usw. geschlossen werden kann, was für jeden Zeitschritt in einer Tabellenkalkulation nachverfolgbar ist.


    Das Ganze resulitert unter anderem aus den Fahrzeug-Vorgaben für die Zug- und (elekrischen) Bremskräfte. Die sind hier mal übersichtlich aufgetragen:



    Man kann unter anderem erkennen, dass die elektrische Bremsleistung erst "kurz vor Null" abfällt, d.h. es wird der größte Teil im Normalbetrieb elektrisch gebremst, das werdet ihr später auf der HMI auch an der Rückspeisequote sehen. Erst bei Unterschreiten von 7 km/h wird die Druckluftbremse zugeschaltet - wie beim 481 greift im Stand zudem die Haltebremse.


    Außerdem fällt auf: der konstante Bereich des Bremskraftverlaufs reicht bis in deutlich höhere Geschwindigeitsbereiche, d.h. es kann mit mehr elektrischer Leistung gebremst und rekuperiert als beschleunigt werden. Es ergibt Sinn, Fahrzeuge so auszulegen - denn umgewandelte Bremsenergie kann zunächst in die Hilfsbetriebe gespeist werden, bevor man beginnt, die Netz-Rückspeisung auszuschöpfen, wobei natürlich wie beim Beschleunigen auch Wirkungsgradverluste anfallen. Es ist jedenfalls auch im Vollbahnbereich üblich, solch hohe elektrische Bremsvermögen vorzusehen.


    Interessantes Detail: um die bis zu 104 kN je Viertelzug abzurufen, bedarf es bei der aktuellen Netzspannung von 750 V dann Strömen bis ca. 1 kA. In der Regel liegt die Netzstrombegrenzung im Netz der Beliner S-Bahn bei 4000 A je Zug - d.h. allein das Traktionieren schöpft das Ganze voll aus (so viel vorab: die Kiste zieht auch im Spiel ab wie Schmidt's Katze, wenn man den Hebel auf den Tisch legt. Ein großer Spaßfaktor für die Schienenrüpel unter uns, zu denen im am PC auch gern mal gehöre :D ). Da laufen dann aber noch keine Nebenbetrieb, insbesondere Heizung/Klima. Wie das genau gelöst ist, fragt ihr die Siemens- und Stadler-Experten - auch bei der Auslegung des Originals war das ein Punkt, um den man sich ganz zum Anfang kümmern musste. Schon bei einer der ersten öffentlichen Präsentationen (ich meine, es war 2016 an der TU Berlin) wurde erklärt, dass das Ganze ein "mehrdimensionales Schachspiel" sei. Man kann sich ausmalen, dass die Heizung/Klima während des (maximalen) Beschleunigens ggf. kurzzeitig zurückstecken muss und entsprechend zu regeln ist. Aus dieser Überlegung heraus entsteht dann übrigens auch die nicht ganz neue Diskussion um die Erhöhung der Netzspannung auf 1500 V, die die Problematik entschärfen würde. Euch wird beim Fahren von Vollzügen im Simulator auffallen, dass der Netzstrombezug schon vor 100% Regler die Grenze von 4 kA erreicht.


    Nun müssen die theoretischen Erkenntnisse und Überlegungen noch irgendwie in den Train Simulator Classic kommen. Die Umsetzung im Railworks ist wiederum mit Hürden verbunden, wie auch andere Entwickler schon häufig berichtet haben. Dazu gibt es also einige zusätzliche Berechnungsskripte und "Übersetzungsregeln". Bekanntlich ist der TSC eine Wunderkiste, die stellenweise leider schlecht dokumentiert ist - nicht alles lässt sich so handlich aus der Theorie übertragen.


    Es gibt Knicke im RW-prototypischen Zugkraftverlauf, die kaum ein Original so hat. Der Fahrwiderstand setzt sich aus nur 2 Gliedern (konst. und quadratisch) in kruden Einheiten im Sim zusammen, wo im Original in der Regel auch ein lineares Glieg genutzt wird. Auch für sowas sind möglichst passige Übertragungen zu finden - mathematisch teils kein Hexenwerk, aber es kostet alles Zeit, die man sich dafür nehmen muss. An dieser Stelle vielen Dank an alle in der Community, die teils unermüdlich auf der Insel nachgebohrt haben und die sich über die Railworks-Versionen hinweg teils geänderten Werte und Formeln nachverfolgt (und dokumentiert!) haben. Ohne solche bruchstückhaften Einblicke wäre kaum eine sinnvolle Umsetzung möglich..


    Beispielhaft sei noch der E-Bremsbug des TSC genannt - der ist gegenüber der BR481-Umsetzung diesmal von der ersten Minute an ins Umsetzungskonzept eingeplant worden und konnte deshalb ein ganzes Stück robuster umgangen werden. So viel: die meisten Manometer sind rein virtuelle Ausgaben und geben keine Werte aus, die der TSC gerade zu verarbeiten glaubt. Entsprechend umfangreich fallen die Skripting-Aufsätze über die eigentliche Fahrzeugtechnik hinaus aus.


    Am Ende gibt es so viele Besonderheiten zu bedenken, dass es eigentlich gar nicht ohne Kontrolle dessen, was am Ende im TSC passiert, gehen kann. Also: man nehme sich ein kompaktes 483-Viertel und stelle die eingangs genannte Spitzfahrt nach. Das Lua-Skript macht dabei sekündlich Ausgaben zum Fahrzustand, die wir mit dann der Theorie vergleichen können.


    Als erstes die Beschleunigung - hier im Vergleich der Theorie (blau/grau) gegenüber dem TrainSim (orange/gelb).



    In der Grafik weicht der Verlauf im untersten Geschwindigkeitsbereich etwas ab - hier zieht die neue S-Bahn (NSB) schneller an, als anfangs in der Theorie angenommen und wurde im Sim anhand von Videos und Mitfahrten entsprechend nachjustiert. Sonst ist das alles aber erfreulich deckungsgleich, d.h. die Theoriewerte werden auch im Simulator ziemlich genau erreicht. Das Abflachen der gelben Zugkraftkurve im TrainSim resultiert aus dem Tempomaten, der bei Erreichen von Vmax (=VSoll bei ausgeschaltetem Tempomaten) sanft abregelt - man erahnt da auch noch den Knick im blauen Theorie-Geschwindigeitsverlauf.


    Außerdem ist bei diesem Fahrzeug ganz besonders wichtig, dass auch die konkret erreichten Zugkraftwerte dem Original entsprechen: wir wollen schließlich noch die verfahrenen Kilowattstunden zählen! Dazu in einem späteren Beitrag mehr..


    Und hier auch noch das Brems-Ergebnis bei voller Betriebsbremsung aus Railworks (blau = Theorie, die wir weiter oben schon gesehen haben; orange = Messung aus dem TrainSim):



    Nanu, das sieht aber nach einigen Abweichungen aus?! Der Reihe nach: wir erinnern uns, der Zug ist zu 2/3 besetzt. Daher schöpft der Zug hier nicht die maximale Bremskraft aus, um auch voll beladen noch die gleiche Vollbrems-Verzögerung erreichen zu können. Rechts überragt die Bremskraft dann aber doch die Vorgabe. Erklärung: die Theorie-Kurve zeigt die Dauerleistung, die das Fahrzeug im elektrischen Bremsbetrieb bringt. Kurzzeitig können die Komponenten aber überlastet werden, was im oberen Geschwindigkeitsbereich zu mehr elektrischem Bremsvermögen führt. Der Ausreißer kurz vor Null resultiert noch daraus, dass hier die Gesamtbremskraft inkl. Druckluftbremse, die sich ja kurz vor Halt zuschaltet, aufgezeichnet wurde - in der Theorie hatten wir aber nur die E-Bremskurve betrachtet. Hier zeigt sich mal wieder, dass ein paar spärliche Datenblätter und Theoriewerte oft nicht reichen, um das Fahrverhalten realistisch abzubilden. Ich bin jedenfalls bei jedem Projekt dankbar für die zusätzlichen Infos, die mir so zugetragen werden!


    Nicht nur in den Diagrammen geht das alles sehr zufriedenstellend auf - auch im Simulator ist der traktionsstarke und sehr handlich bedienbar gestaltete Hobel eine Wucht. Die Tester sind bislang zufrieden und auch diejenigen, die schon den echten 483 unterm Hintern hatten, haben sich noch nicht beklagt. Aus Fuzzisicht mag die "NSB" mit aufgeweichtem Traditionslackschema und DB-corporate Innendesign gegenüber Vorgängerbaureihen ein wenig charakterlos wirken - aber fahren kann sie! Zusammen mit dem recht charakteristischen Sound (dazu kommen wir auch noch..) haben wir dann doch wieder eine Sammlung von Eigenschaften, mit der sich "die Neue" dann doch ins Fuzzi-Hirn einbrennt.


    Und damit es heute auch noch etwas fürs Auge gibt - der 483 hat seit den letzten Screens viele Fortschritte gemacht, die wir uns noch in weiteren Beiträgen genauer ansehen wollen. Ein Eindruck von den vielen Testkilometern..




    Viele Grüße,

    Benjamin

  • Das "Überschwingen" wurde mir kürzlich auch für einige aktuelle Regio-Triebzüge berichtet und ist ja ein klassisches regelungstechnisches Problem. Das musste in der Ausführung für den 483 hier gar nicht "umgesetzt" werden, sondern ergibt sich ganz automatisch in bestimmten Situationen. Wenn man bspw. von Gesundbrunnen gen Humboldthain volle Kanne anfährt und das Fahrzeug noch im recht zackigen Gefälle der Ringbahnunterführung die Vmax erreicht, dann wird die auch kurz überschritten, bevor dann wieder auf Vsoll gebremst wird. Also ja, der Effekt wird je nach Fahrverhalten stellenweise zu beobachten sein, auch wenn das System natürlich darauf getrimmt wurde, dass das im Regelbetrieb nicht oft passiert:thumbup:


    Viele Grüße,

    Benjamin

  • Ich würde es sehr schaden finden wenn man alles über Szenarioscript lösen müsste, das würde mir persönlich sehr die Freude am Zug nehmen da man dann sehr sehr eingeschränkt wäre im Thema reale Umsetzung von Ansagen etc. also wenigstens das man die Ansagen im Zug bearbeiten kann und abspielen kann ohne Szenariotrigger zu nutzen würde ich mir doch schon wünschen, gerade nachdem das irgendwie das beste am ganzen 481er war.

    Klar is es nur ein "nebenbei" Fahrzeug, das das keine Detailliebe bekommen kann wie ein eigenständiger Zug verstehe ich aber ich fände das schon nen Ordentlicher Schirtt zurück in der Entwicklung von TTB, aus Gesprächen mit einigen Usern kann ich sagen viele legen hohen wert auf ein ähnliches Ansagen System wie im 481er.

    Nebenbei wollte ich nochmal erwähnen das das DB Logo an der Seite und der Front die falsche Farbe haben sowie wirkt der Zug von den Materials her noch sehr sehr glänzend und unrealistisch.

  • Die Gedanken kann ich verstehen und teile die Ansicht, dass ein IBIS den Zug so richtig zum Leben erweckt. Das ändert aber nichts daran, dass eine Auftragsarbeit im abgestimmten Rahmen bleibt.


    Für den 483/484 sind dennoch einige Tausend Zeilen neuer Code entstanden, um die speziellen Eigenschaften des Triebzugs (insb. im direkten Vergleich mit dem 481), die auch im TSC umgesetzt sind, in der gewohnten Qualität darzustellen.

    Auch wenn's kein IBIS geben wird, arbeite aktuell an einem anderweitigen, kleinen Goodie, das den Spielspaß erhöhen soll - dazu bei Gelegenheit mal mehr.


    Danke auch für die Rückmeldungen zum Modell, ich gehe davon aus, dass es da noch Anpassungen geben wird bis zur finalen Version.


    Viele Grüße,
    Benjamin