Oovee Entertainment - Hatchet Hill Quarry
Liebhaber britischer Eisenbahnen können sich in letzter Zeit wirklich nicht beklagen. Lokomotiven aus dem Königreich scheinen eine Dauerkarte für Steam gelöst zu haben – kein Monat vergeht ohne Neuerscheinungen. Aufmerksamen Eisenbahnern dürfte dabei der Name Oovee wohltuend in den Ohren klingen. Die Truppe zeichnet sich für so tolles Rollmaterial wie die Class 156 oder Class 57 ab, Rollmaterial, das immer etwas mehr bot als der reguläre Rest. Nun sind die Mannen um Jack Royle auch beim Streckenbau gelandet und legen mit Hatchet Hill Quarry (HHQ) ihr Erstlingswerk dieser Sparte vor. Für rund 17 Euro geht das Add-on über den virtuellen Steam-Ladentisch – der Preis ist üppig, aber wenn doch die typische Qualität von Oovee geboten wird? Dementsprechend weckt der Zusatz auch Begehrlichkeiten, die allerdings höchstens im Ansatz befriedigt werden.
Der Umstand, dass die fiktive Strecke um einen Steinbruch nur 8 Kilometer lang ist, mag auf den ersten Blick enttäuschen, ist aber grundsätzlich erst einmal keine Missetat. Stimmungsvolle Landschaften lassen sich auf begrenztem Raum besser realisieren als bei langen Strecken. Das „Flair-Potential“ liegt ungleich höher, weil es nicht so viel Platz gibt, den der Streckenbauer im Blick haben müsste. Allerdings gerät die Szenerie in weiten Teilen zu fad und unharmonisch. Die aufgegebene Station Hatchet Hill etwa wirkt nicht gerade so, als sei der letzte Zug vor 20 Jahren durchgekommen. Sieht man einmal vom vernagelten Bahnhofsgebäude ab, zeigen sich kaum Spuren von Verwitterung und Verfall. Das Gelände um die angrenzenden (und immer noch benutzten) Lokschuppen ist zudem unnatürlich detailarm. Ein paar Kisten, Holzbohlen und wenige LKWs sind nicht das, was Nutzer einer solchen Szenerie erwarten würden. Wahre Augenschmeichler wie die langsam vor sich hinrottenden Stationen im Köblitzer Bergland bietet Hatchet Hill Quarry nirgendwo. Vieles wirkt im Schnellschussverfahren entwickelt: hier etwa ein kleines Stellwerk auf einer riesigen Ödfläche, ohne Details, ohne Finessen, ohne stimmungsvolle Details. Und dort eine Verladestation, an der noch nicht einmal Arbeiter stehen.
Auch unterwegs bleiben Höhepunkte Mangelware. Das ist einerseits der eingleisigen Strecke geschuldet, andererseits ist die Umgebung auch wenig abwechslungsreich bebaut. Vielfach treten ausladende Waldgebiete ins Blickfeld, nur selten durchbrochen von winzigen Siedlungen. Letztlich ziehen sich die 8 Kilometer zäh dahin. Der Autor dieser Zeilen war jedenfalls regelmäßig froh, endlich den Steinbruch erreicht zu haben. Warum die Autoren bei Oovee auf einer fiktiven Strecke nicht übermäßig ihre Fantasie haben spielen lassen, bleibt deren Geheimnis. Für die Sinne ist HHQ kaum etwas.
Besserung zeigt das mitgelieferte Rollmaterial. Die Rangierlokomotive Class 04 rollt in typischer blauer British Rail-Lackierung und der Bemalung des fiktiven Steinbruchbetreibers über die Gleise. Letztere wirkt durch die vergitterten Fenster leicht martialisch, passt dafür aber auch besser zu den ohnehin nicht angenehmen Assoziationen beim Stichwort Steinbruch. Die Detaillierung mit den vielen kleinen Feinheiten zeigt sich handwerklich solide ohne große Ausreißer nach oben oder unten, eine schöne Texturierung mit gekonnt aufgetragenen Schmutz- und Schatteneffekten sorgt für ein realistisches Bild. Auch im Führerhaus fährt Oovee den Kurs der effektreichen Texturierung weiter fort. Viele Stellen sind abgegriffen, der Boden ölbefleckt. Das Flair einer Lokomotive, die einige Arbeitsjahre auf den Puffern hat, wird gut auf den Monitor gebracht. Zusätzlich sorgen nette, aber letztlich unnütze Spielereien wie öffnende Fenster und Türen für kurzweilige Unterhaltung. Unverständlich nur, warum die Class 04 ohne Lokführer auskommen muss. Immerhin passt der verwaiste Führerstand dann doch schon zum tristen Eindruck der Strecke.
Das Fazit fällt bescheiden aus. Die Strecke bietet zu wenig, um auf Dauer zu unterhalten, die 7 Szenarien sind schnell abgefrühstückt und bedingt durch die Kürze des Gleisnetzes auch relativ kurz. Zudem kommt es auf den eingleisigen Abschnitten nie zu auflockernden Begegnungen mit AI-Verkehr und die eher schwach motorisierte 04 quält sich selbst mit leeren Wagons die Berge hoch, dass es kaum Spaß macht, hier länger als 30 Minuten am Stück dranzubleiben. Kurzum: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Ergo: Oovee, baut doch bitte in Zukunft nur Loks.
Nachtrag:
Im Steam- sowie UKTS-Forum berichten auch andere Anwender von der mittelmäßigen Qualität des Werks. Insbesondere die verbuggten Szenarios und die schwache 04 werden bemängelt. Ein Patch wird von Oovee versprochen, allerdings warten wir auch auf den Patch für die Class 50 seit sehr langer Zeit...