Ich wolle schon längere Zeit ein Review zur Linken Rheinstrecke Mainz-Koblenz schreiben, habe mich jedoch dazu entschieden den ersten Patch abzuwarten, da in der Releaseversion doch einige gröbere Bugs enthalten waren. Nun sind nach wochenlangem Warten kurz nacheinander sogar zwei Patches veröffentlich worden, und ich möchte deshalb nun gerne meine Meinung zu dem Add On teilen.
Zuvor noch ein paar Anmerkungen. Zum einen arbeite ich selbst als Produkt Manager in der Softwarebranche, ich bin mir also der Mechanismen und Beschränkungen bewusst, denen ein kommerzielles Add On wie dieses unterliegt. Des Weiteren spiele ich auf einer Xbox Series S, bin mir also im Klaren darüber, dass ich eine Konsole nutze, die weniger kostet als so mancher PC-Spieler allein für seine Grafikkarte ausgegeben hat. Meine Erwartungen an die Grafikfülle und die Performance sind deshalb nicht übertrieben hoch. Und zu guter Letzt habe ich fast 20 Jahre lang im Rhein-Main-Gebiet gelebt, davor 12 Jahre in Budenheim, später auch in Bingen. Mein Vater arbeitete als Prokurist bei der Firma Bericap, die man in Budenheim gegenüber dem Bahnhof ja auch sehr gut im Spiel erkennen kann, und er lebt bis heute in der Nähe von Bingen. Ich habe diese Strecke also selbst oft als Fahrgast befahren, nicht nur im Nahverkehr, sondern auch mit dem Intercity zwischen Mainz und Koblenz.
Als Dovetail Games diese Strecke ankündigte, habe ich mich natürlich gefreut, war aber auch sehr skeptisch. Tatsächlich hatte ich noch ein paar Tage vor der Ankündigung darüber nachgedacht, wie cool es wäre, diese Strecke in TSW3 zu haben, den Gedanken aber auf Grund der schieren Länge, der Topografie mit den vielen Bergen, den vielen Ortsdurchfahrten, der Dreiteilung zwischen Bahn, Bundestraße und dem Rhein und der daraus resultierenden Fülle an Objekten schnell wieder verworfen. Dann kündigte DTG die Strecke tatsächlich an, und ich war erst einmal baff.
Sieht man mal von der Schnellfahrstrecke Kassel-Würzburg ab, ist dies die bislang längste deutsche Strecke in TSW3. Es gilt fast 93 km zurückzulegen, und das in einer der schönsten Landschaften Deutschlands. Die Strecke teilt sich quasi in zwei Abschnitte auf. Von Mainz kommend fährt man zunächst durch eine schnellere Passage, auf der man mit dem Intercity bzw. ICE fast durchgängig 160 km/h schnell fahren darf. Ab Bingen HBF beginnt dann die eigentliche Rheinstrecke, die sich am Fluss entlang bis nach Koblenz schlängelt, und auf der man mit ständigen Tempoänderungen, Steigungen und Gefällen konfrontiert ist.
Die Strecke ist Topografisch sehr gut umgesetzt, jeder Bereich ist absolut wiedererkennbar und wirkt, was die Umgebung angeht, sehr nah an der Realität. Auch in Bereichen, wo man es eigentlich gar nicht vermutet und wo es vielleicht gar nicht unbedingt nötig wäre, ist die Landschaft stimmig. Als Beispiel sei hier der Bereich zwischen Mainz-Mombach und Budenheim genannt, bei dem die Landschaft auf der linken Seite wie in der Realität nach oben hin ansteigt und sogar die sich dort befindliche Landstraße zu erkennen ist. Man merkt, dass sich DTG zur Modulation der Umgebung auf Satellitendaten stützt, diese kleinen Details machen die Darstellung der Umgebung glaubwürdig und tragen viel zur Atmosphäre bei.
Bei den Streckenobjekten greift DTG zum größten Teil auf bereits vorhandene Objekte zurück, was besonders bei den Wohnhäusern, die sich oft widerholen, stark auffällt. Mich persönlich stört das nicht, weil für meine Ansprüche größtenteils trotzdem ein sehr stimmiger Eindruck entsteht. Und mir ist vollkommen klar, dass es bei einem kommerziell orientierten Add On einfach nicht möglich ist, eine vollkommen realitätsgetreu nachgebildete Bebauung zu erwarten. Trotzdem hab sich DTG an vielen Stellen die Mühe gemacht, individuelle Bauten zu verwenden, vor allem bei den meisten Bahnhöfen und bei vielen Brücken. Vergleicht man die Strecke im Spiel mit Videos von Führerstandsmitfahrten, so kommt, wie ich finde, schon die richtige Atmosphäre auf. Als Beispiele seien hier die Ortsdurchfahrt in Niederheimbach genannt, mit ihren tief neben der Strecke liegenden Fachwerkhäusern, oder die Brücke mit dem Fußgängeraufgang in Boppard-Hirzenach, der leider wie damals in Wirklichkeit vollkommen verwahrloste Bahnhof in Budenheim samt der mit Graffiti übersäten Unterführung oder auch der optisch gut getroffene Haltpunkt in Uhlerborn. Auch der ganze Bereich rund um die Lorelei, mit den sehr schön gestalteten Tunnelportalen wirkt sehr realistisch, auch St. Goar ist meiner Ansicht nach sehr gelungen. Auch auf der rechten Rheinseite sind überraschend viele Details erkennbar.
Leider fällt ausgerechnet Mainz in Punkto Bebauung doch arg ab, der Bahnhof wirkt seltsam clean und leer, hier, wie auch in Koblenz, fallen die fehlenden Fahrgast-Informationsanzeigen an den Bahnsteigen ganz besonders negativ auf. Auch die düstere, schmutzige Atmosphäre der alten stählernen Bahnhofshalle des Hauptbahnhofes will sich überhaupt nicht einstellen. Aber auch die entlang der Strecke hin zum Mainzer Hauptbahnhof verwendeten Stadthäuser wollen irgendwie nicht so richtig passen, dabei hat DTG doch in Dresden gezeigt, dass sie das deutlich besser können. Die Brücke über die Hattenbergstraße besteht leider nicht wie in echt aus Backsteinen, sondern ist eine DTG-Standardbrücke aus Stahlbeton. Es fehlt auch das kleine Stellwerk an der Zufahrt in Richtung Hauptbahnhof, und der Bahnhofsplatz selbst ist doch arg unbelebt. Im Vergleich mit dem Rest der Strecke fällt Mainz qualitativ schon etwas ab.
Manch kleine Unstimmigkeit ist natürlich auch dem Umstand geschuldet, dass das Szenario im Jahr 1998 angesiedelt wurde. So fehlt zum Beispiel der Schornstein der Glaswerke Budenheim, der damals weithin sichtbar war und erst viel später abgerissen wurde. Auch der Ortsausgang von Mainz-Mombach war meiner Erinnerung nach damals noch nicht derart stark bebaut wie das im Spiel der Fall ist. Aber das sind Kleinigkeiten, die den guten Eindruck, den dieses Add On in Punkto Landschaft macht, für mich kaum schmälern. Mein persönliches Highlight ist Bingen, das, wie ich finde, einfach sehr schön umgesetzt wurde. Nicht nur die beiden Signalbrücken an den Bahnhöfen, sondern auch Dinge wie die Nahemündung, der Mäuseturm und generell die gesamte Stadt selbst. Es ist dagegen etwas unverständlich, warum man die Binger Bahnhöfe im HUD falsch benannt hat, und warum vor dem Binger Hauptbahnhof ein völlig unbeschrankter und noch nicht mal mit Andreaskreuzen versehener Bahnübergang existiert, der in Wirklichkeit beschrankt ist.
Nachtfahrten auf der Strecke machen dagegen viel Spaß, von der Beleuchtung her ist dies eines der Besten DLCs. Natürlich alles andere als perfekt, aber immerhin sieht man, dass sich Mühe gegeben wurde, möglichst viel aus dem Vorhandenen herauszuholen. Besonders gelungen ist hier Boppard, aber auch Bingen sieht gut aus, und die rötlich beleuchtete Schönburg , die über Oberwesel thront, ist ebenfalls sehr nett gemacht. Auf jeden Fall sieht das Szenario nicht nach komplettem Stromausfall aus, so wie das ja gerade bei älteren DLCs der Fall ist. Und durch den besseren Himmel von TSW3 entsteht auch nie der Eindruck, man bewegt sich in einem kompletten schwarzen Loch, in dem ab und zu mal Signale auftauchen. Für das nächtliche St. Goar lässt sich sogar ein Feuerwerk freischalten, das ganz nett aussieht, mir aber auf Dauer einfach zu viel war, weshalb ich es wieder deaktiviert habe. Trotzdem, eine nette Idee. Mal sehen, wie die Strecke dann nachts in TSW4 aussehen wird.
Das zum Add On gehörige Rollmaterial besteht aus den bereits bekannten Baureihen 401, der 110.3 nebst „Karlsruher Kopf“ als Steuerwagen und der bei DTG neuen E-Lok vom Typ 103.
Die 110.3 wird ja bereits auf der Strecke Bremen-Oldenburg verwendet, allerdings ist die Lok nun in Orientrot mit Latz lackiert, was der Lok meiner Meinung nach überraschend gut steht. Ansonsten unterscheidet sie sich so gut wie gar nicht von der bereits bekannten 110er, lediglich das Zuknallen der Türen, das in BRO auch im Führerstand deutlich zu vernehmen war, fehlt hier. Es ist jetzt nur noch in der Außenansicht zu hören, wenn man näher an den Waggons dran ist. Sound, Fahr- und Bremsverhalten der beiden Versionen sind identisch. Ich fahre die 110.3 sehr gerne und komme auch mit den Bremsen gut klar, da ich aber - wie wohl die meisten TSW3-Spieler - noch nie eine Lok in echt gefahren bin und auch niemanden kenne, der das tut, kann ich mir zum Realismus keinerlei Urteil erlauben. Schade ist, dass immer noch das Zischen beim Anlegen der Zugbremse fehlt, ein Bug, der seit einem der ersten Patches der 110.3 auf Bremen – Oldenburg besteht und der dem Bremsen viel an Realismus nimmt.
Noch lieber bin ich mit dem Bnrdzf 463.0 Steuerwagen unterwegs, der hier nun in der mintgrün/ hellgrauen Produktlackierung daherkommt. Ansonsten ist der „Karlsruher Kopf“ unverändert zu der verkehrsroten Version von Bremen-Oldenburg. Leider ist auch der Bug, der das Rollband des Fahrgastinformationssystems nach ein paar Sekunden wieder auf blank zurückstellt, hier immer noch vorhanden. Die 110.3 bzw. der Steuerwagen sind mit N-Wagen bestückt, die ebenfalls bereits von BRO bekannt sind, hier aber auch in Mintgrün ausgeführt sind.
Das eigentliche Highlight das Add Ons sollte jedoch die E-Lok vom Typ 103 sein. Niemandem, der in den 1970er und 1980er Jahren mit der Deutschen Bundesbahn aufgewachsen ist, ist diese Lok wohl unbekannt. Sie war das Gesicht der DB in der damaligen Zeit und ist heute bereits eine Legende. Das Modell ist meiner Meinung nach sehr stimmig umgesetzt. Die Proportionen wirken exakt, und auch der Führerstand ist gut gemacht, wenngleich ein paar wenige Wandtexturen doch arg grob auflösend erscheinen. Leider sind die Zeiger einiger Instrumente nur schwer zu erkennen, hier wäre eine Ausführung in Orange, die es wohl auch gab, besser gewesen.
Wie bereits in vielen Rezensionen und Forenbeiträgen erwähnt, trüben mehrere völlig unverständliche Fehler den guten Eindruck – das Vorhandensein der Schürzen unter den Puffern, die es 1998 schon lange nicht mehr gab, das erhaben ausgeführte schwarze DB Logo, das es vor allem den Paintern schwer macht, nun andere Varianten umzusetzen. Im Führerstand besitzt die 103 einen EBuLa- Bildschirm, den es aber laut verschiedenen Quellen flächendeckend wohl erst ab Anfang der 2000er Jahre gab (und damit höchstwahrscheinlich auch in der 110.3 zur damaligen Zeit nicht vorhanden war). Um es gleich klarzustellen – mich stören solche Abweichungen nicht, dazu bin ich einfach nicht Bahnfreak genug. Ich kann den Unmut vieler darüber aber durchaus nachvollziehen, zumal es Fehler sind, die mit ein klein wenig mehr Recherche vermeidbar gewesen wären.
Der in meinen Augen größte Fauxpas ist jedoch der Umstand, dass der Durchgang zwischen den beiden Führerständen weggelassen – oder sollte ich besser schreiben „weggespart“? – wurde. Mal abgesehen davon, dass dies einfach unschön ist, zwingt es Konsolenspieler dazu, zum Einschalten von PZB und Sifa den Führerstand 1 zu verlassen, auf dem Bahnsteig zum Führerstand 2 zu gehen, hochzusteigen, die Schalter zu bestätigen und dann wieder zurück in den ursprünglichen Führerstand zu klettern. Total nervig und unnötig. Ich verstehe schon, dass DTG es sich sparen wollte, den Motorraum nachzubilden. Und mir ist bewusst, dass eine stark vereinfachte Darstellung desselben wahrscheinlich ebenfalls zu Kritik geführt hätte. Warum man aber nicht wenigstens eine Seite durchgängig gemacht hat oder zumindest die Führerstände im Standard getauscht hat, verstehe ich nicht.
Das Fahren mit der 103 macht mir aber sehr viel Spaß. Die Notwendigkeit des langsamen Aufschaltens der Fahrsstufen ist lässig, ebenso die enorme Geräuschkulisse. Die Bremsen, die in der Release Version viel zu stark und schlecht dosierbar waren und dadurch zu Recht kritisiert wurden, sind seit dem zweiten Patch in meinen Augen nun eines der Highlights der Lok. Das Prinzip der Bremse funktioniert nun wie in echt beschrieben, es ist ein Zusammenspiel aus der elektrischen und der Luftdruckbremse, und man kann den Zug auch aus hohen Geschwindigkeiten dosiert und schnell abbremsen, ohne gleich viel zu langsam zu werden. Es braucht vielleicht ein oder zwei Testbremsungen, aber dann kann man auch aus 160 km/h problemlos die von der PZB verlangte Bremskurve einhalten, selbst wenn man das Vr0 mal etwas zu spät gesehen hat. Das macht viel Spaß und fühlt sich einfach gut an.
Was den Sound angeht fällt mir ein Urteil schwer. Ich habe nicht viele vernünftig klingende Videos von Führerstandsmitfahrten mit der 103 gefunden, ebenso wenig welche mit von der 110.3. Für mein Empfinden ist der Lüfter der 103 vielleicht etwas zu laut und zu hochfrequent, und das charakteristische Pfeifen der Elektromotoren beim Beschleunigen ist erst ab Stufe 30 wirklich wahrnehmbar, aber insgesamt finde ich den Sound schon gut. Er unterscheidet sich grundsätzlich nicht groß von dem der 110.3, allerdings gibt es bei letztgenannter deutlich mehr Nebengeräusche zu hören. Und wenn ich Videos des gleichen Erstellers von Fahrten im Führerstand der 103 und der 110 vergleiche, dann klingt der reale Sound der beiden Loks auch da sehr ähnlich. Aber wie gesagt, ich habe noch nie eine der Beiden in echt erlebt, insofern fällt ein Urteil schwer. Highlight ist für mich sowieso der Steuerwagen, mit all dem Geratter und den anderen Geräuschen.
Während bei der 103 die Beleuchtung ein wenig zu schwach erscheint, haben 110.3 und der Steuerwagen beim letzten Update meiner Meinung nach nur viel zu helles Licht bekommen. Ein bisschen weniger wäre da in meinen Augen mehr gewesen, aber die vollkommen unterschiedlich starke Beleuchtung verschiedener Loks ist ja generell ein Thema in TSW. Zu den Waggons möchte ich gar nicht viel schreiben, denn für mich ist das halt einfach nur der Ballast, den die Lok zieht. Ich weiß, dass es Kritik an den IC-Wagen gibt, weil es nur Großraumwagen oder Abteilwagen gibt, keine gemischten Waggons. Und ich weiß, dass vielen der Speisewagen fehlt. Aber mir ist das nicht so wichtig. Deshalb erspare ich mich hier einer Bewertung.
Der Vollständigkeit halber sei noch die BR 401 erwähnt, diese ist für die hier dargestellte Zeitperiode viel zu modern, weder Führerstand noch Lackierung passen. Aber ich finde es trotzdem schön, dass der ICE1 dabei ist, denn er zeigt anschaulich, wie sehr sich die Bahntechnik seit der Baureihe 103 fortentwickelt hat. 160 km/h in der 103 fühlen sich ob des Lärms und all den mechanischen Geräuschen richtig schnell an, während man in der 401 bei der gleichen Geschwindigkeit das Gefühl hat, Bummeltempo zu Fahren.
Der Fahrplan ist mit 252 Fahrten prall gefüllt. Von EC und IC Diensten über den Interregio Verkehr hin zu Stadtexpress-, Regionalbahn- und Regionalexpress-Fahrten ist alles mit dabei. Auch ein paar D-Zug Verbindungen sind enthalten, sowie zwei Fahren mit dem ICE und noch einige Güterzugdienste. Diejenigen, die die Niddatalbahn von TSG besitzen, erhalten noch einmal 49 zusätzliche Fahrten mit der Baureihe 628.2 dazu. Schön ist, dass bei den Intercitys sowohl Garnituren mit 8 Waggons wie auch solche mit 11 Waggons zum Einsatz kommen. Der Unterschied beim Fahr- und Bremsverhalten ist deutlich spürbar. Während es mit den Eurocity oder Intercity weitgehend ohne Stopp von Mainz nach Koblenz (oder umgekehrt) gefahren wird – von ein paar wenigen Diensten mit einem zusätzlichen Halt in Bingen HBF abgesehen – hält der Interregio planmäßig sowohl in Bingen HBF wie auch in Boppard und in Koblenz. Auch die D-Züge verkehren Nonstop zwischen Mainz und Koblenz. Die Fahrtzeit beträgt je nach Dienst und Verkehrslage zwischen 52 Minuten und knapp über einer Stunde. Deutlich länger dauern die Fahrten mit dem Stadtexpress. Obwohl hier ebenfalls nicht an jeder Station gehalten wird, sitzt man hier schon gut 1 Stunde und 20 Minuten im Führerstand. Das Highlight in Punkto Fahrzeit stellen jedoch die Fahrten mit der Regionalbahn dar. Hier hält man wirklich an jedem Bahnhof, und so dauert es über 1 Stunde und 40 Minuten, bis man den jeweiligen Endbahnhof erreicht hat. Dies sollte auch all jenen gefallen, die bisher immer über zu wenig Fahrzeit klagten. Die Fahrzeiten bei den Güterzugdiensten sind ähnlich lang. Dazu gibt es noch ein paar kürzere Fahrten z.B. zwischen Mainz und Bingen, Gau Algesheim und Mainz oder von Boppard nach Koblenz und weitere mehr.
Gerade bei dem Güterzugdiensten fällt das meiner Meinung nach größte Manko dieses DLCs besonders stark auf, nämlich die fehlende Abwechslung beim Rollmaterial. Als Lokomotive im Güterverkehr dient ebenfalls die BR 110.3. Das ist zwar nicht zu 100% falsch, aber eigentlich kam es nur selten vor, dass die „Bügelfalte“ Güterzügen vorgespannt war. Im Spiel sorgt das halt dafür, dass fast jede entgegenkommende Lok entweder eine 103 oder eine 110.3 ist, ganz besonders wann man in Richtung Koblenz fährt. Als D-Züge dienen ganz normale N-Wagen Garnituren mit Steuerwagen. Hier wäre es schön gewesen, wenn hierfür wenigstens 110er ohne Steuerwagen und mit ein paar Waggons mehr eingesetzt worden wären. Auch die charakteristischen blau-weißen Interregio Wagen fehlen.
Es mangelt einfach an Alternativen. Dabei gäbe es die doch. Zum Beispiel in Form der BR 101, bei der aber laut DTG der Türmechanismus nicht mit dem der IC-Wagen kompatibel ist. Die BR 155 und 143, die zu dieser Zeit auch auf der Rheinstrecke zum Einsatz kamen, sind nicht dabei, weil deren Lackierung und Führerstände für die vom DLC dargestellten Zeitraum zu modern waren. Ein Argument, dass mir etwas fadenscheinig erscheint, denn beim ICE1 hielt selbiges DTG nicht davon ab, ihn mit in den Fahrplan zu nehmen. Ich vermute, es sind eher Limitierungen im Dateisystem von TSW, die dafür sorgen, dass weder 155 noch 143 auf dieser Strecke vorhanden sind. Schade. Wie sehr ein wenig mehr Varianz dem Spielerlebnis dienlich ist merkt man, wenn man sich im Creators Club bedient. Es macht schon einen Unterschied, wenn plötzlich nicht nur orientrote 110er auf der Strecke unterwegs sind, sondern z.B. auch welche in ozeanblau-beige. Leider verwendet das Spiel für die KI-Fahrten der 103 ausschließlich die Originallackierung, solche aus dem Creators Club tauchen nur bei der Lok des Spielers auf. Auch das ist schade, denn auf der Niddatalbahn funktioniert das, und es ist nett, wenn man dort aus dem Führerstand der 628 auch mal eine orientrote 103 sichtet. Es bleibt zu hoffen, dass DTG hier noch Ergänzungen nachliefert. Gerade wenn weitere Szenarios aus den 80er oder 90er Jahren kommen sollten, ist eine passende Güterzuglok wie z.B. eine BR 140/ 141 unverzichtbar.
Neben den Fahrplanfahrten sind auch die bekannten Szenarios enthalten. Diese sind von der Qualität her aber eher mittelmäßig umgesetzt. Das Szenario „Burgtour“ ist meiner Meinung nach eines der langweiligsten in TSW überhaupt, zuckelt man hier doch mit 55 km/h über die Strecke und bekommt eher nichtssagende Informationen zu den umliegenden Schlössern und Burgen, die dann aus dem Führerstand heraus teilweise gar nicht zu sehen sind.
Was mich wirklich beeindruckt hat, ist die Performance auf der „kleinen“ Xbox Series S. Ich hatte wirklich keine hohen Erwartungen, insbesondere, da es auf der Strecke Bremen – Oldenburg doch ganz gewaltige Probleme mit teils massivem Nachladeruckeln gibt. Und dort ist alles flach und relativ dünn bebaut, wenn auch sehr stark bewaldet. Wie soll das dann erst auf einer Strecke sein, die neben teils dichter Besiedelung auch noch eine hohe Sichtweite zur rechten Rheinseite hin hat? Die über viele Berge verfügt, über eine fast permanent parallel entlang führende Bundestraße mit Verkehr und nicht zuletzt natürlich auch noch den Rhein. Nun, ich muss sagen, dass ich wirklich positiv überrascht wurde. Klar, auch hier gibt es Nachladeruckeln, die aber gemessen an der Streckenlänge deutlich seltener auftritt als auf BRO. Und ja, in der Ferne baut sich die Landschaft manchmal erst nach einiger Zeit auf, das betrifft aber nur die Details, nicht die grundsätzliche Topografie. Und diese Pop Ups tauchen in der Regel lediglich auf der rechten Rheinseite und in großer Entfernung auf. Ich bin mir sicher, dass dies für einige Spieler störend ist, für mich aber nicht. Wahrscheinlich auch deshalb, weil ich eben nicht über eine 550 Euro Konsole oder einen 1000 Euro PC verfüge. Da hätte ich auch ganz andere Erwartungen.
Diese meiner Meinung nach relativ gute Performance wird natürlich teilweise durch Einschränkungen bei den Details erkauft. So gibt es eigentlich nur rund um Trechtlingshausen nennenswerten Schiffsverkehr auf dem Rhein. Auf der Bundesstraße sind ausschließlich Pkw unterwegs, fahrende Transporter oder gar Lkw sucht man vergeblich. Und auch die typischen Zolltürme auf dem Rhein fehlen auf der Xbox Series S bis auf den Mäuseturm in Bingen völlig. Inwiefern dies auf einer Series X oder einem gut ausgestatten PC anders ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Was den dünnen Schiffsverkehr angeht habe ich das Gefühl, das könnte mehr mit Zeitnot bei der Erstellung des DLCs zu tun haben und weniger mit Performanceproblemen. Ich bin aber mit der Performance ziemlich zufrieden und hätte weit weniger erwartet. Die generellen Probleme von TSW3 sind natürlich auch auf der Rheinstrecke vorhanden, wie zum Beispiel die geringe Reichweite des Schattenredenrings, die teilweise zu stark belichtete Landschaft bei starker Sonneneinstrahlung und die teilweise völlig unrealistischen Zeiten des Tag/ Nacht-Wechsels – im August wird es bereits nach 19 Uhr stockdunkel.
Die gröbsten Bugs hat DTG mit den bisherigen Patches ausgemerzt. So fahren jetzt keine Autos mehr über geschlossene Bahnübergänge, hierfür hat man aber an diesen Stellen leider den Verkehr stark reduziert oder komplett entfernt. Auch die Signalisation wurde deutlich verbessert, besonders im Bereich des Mainzer Hauptbahnhofs. Und die in der Release Version teils massiv aufgetretenen Probleme mit roten Signalen, die endlos so bleiben (vor allem vor Koblenz HBF), wurden nach meiner Erfahrung komplett behoben. Auch die hässlichen grauen Bäume in der Ferne während der Wintermonate sind Gott sei Dank ebenfalls passé.
Trotzdem sind ein paar wirklich nervige Bugs nach wie vor vorhanden. So fehlt z.B. zwischen Uhlerborn und Heidesheim ein Vorsignal, ausgerechnet an der Stelle, an der man vor Heidesheim bei 160 km/h durchaus einmal auf ein Hp0 treffen kann und es dann keine Chance mehr gibt, rechtzeitig zu bremsen. Bei Gau Algesheim ist statt einem 500 Hz Magneten ein 2000 Hz Magnet verbaut. Bei einem der ICE-Dienste wird man in Gau Algesheim ohne Vorwarnung auf das Nebengleis umgeleitet, die Ankündigung der dafür erlaubten 60 km/h kommt viel zu spät. Vor Boppard-Hirzenach darf laut HUD mit 120 km/h gefahren werden, dabei sind in Wirklichkeit nur 100 km/h erlaubt. Überhaupt fehlen teilweise Lf Signale, was vor allem von denjenigen bemängelt wird, die ohne HUD fahren. Streckenkenntnis ist also sehr wichtig! Des Weiteren gibt es einige falsche geschriebene Ortsnamen wie „Büdenheim“, „Gau Alghesheim“, „Bad Kreuzen“. Es bleibt zu hoffen, das DTG noch einen weiteren Patch nachschiebt, um wenigstens die restlichen Signalfehler zu beheben.
Und warum würde ich nun diesen DLC trotz all der kleinen und größeren Macken uneingeschränkt weiterempfehlen? Nun, ganz einfach, weil mir das Fahren unheimlich Spaß macht! Ich seit dem Release rund 14.900 km auf der Rheinstrecke zurückgelegt, so viele wie auf keiner anderen Strecke. Dass das so ist, hat nicht nur mit der schieren Länge zu tun, sondern auch mit der Abwechslung. Klar, es gibt nur ein einziges Layout. Aber trotzdem unterscheiden sich die Fahrten je nach dem gewählten Zugdienst spürbar. Mit den Regionalbahnen wird man immer wieder auf ein Nebengleis geleitet, um dann von einem schnelleren Zug überholt zu werden. Umgekehrt gibt es aber auch EC- oder IC-Dienste, bei denen man hinter einem langsameren Zug steckt. Dies führt dazu, dass die Konzentration auf die Signale auf dieser Strecke weitaus wichtiger ist als auf vielen anderen. Oft kennt man auf anderen Strecken nach ein paar Fahrten die neuralgischen Punkte, an denen man eventuell auf ein Vr0 oder ähnliches treffen könnte. Auf der Rheinstrecke wird man diesbezüglich auch nach vielen tausend gefahrenen Kilometern immer mal wieder überrascht. Manchmal auch, wenn man gerade mit 160 km/h unterwegs ist. Und das macht enorm Spaß, natürlich nur, wenn man mit PZB fährt und mit dem System gut zurechtkommt.
Des Weiteren macht die Streckenführung einfach unheimlich Laune. Die häufigen Tempowechsel zwischen Koblenz und Bingen, die Steigungen und Gefälle, all das bedingt, dass man ständig „am Rad dreht“, also Leistung aufschaltet oder wegnimmt, um das erlaubte Tempo zu halten. Wobei es bei den IC-Diensten gar nicht nötig ist, immer voll am Limit zu fahren, denn der Fahrplan lässt da deutlich Luft. Bei den Regionaldiensten sieht das schon ein wenig anders aus. Es macht auch sehr viel Spaß mit der dynamischen Bremse zu arbeiten, die in vielen Fällen vollkommen ausreichend ist, um den Zug auf das nächste Tempolimit zu bringen. Und es ist einfach cool, einen Regionalbahnservice fahren zu können, der fast 1 ¾ Stunden dauert und bei dem man immer konzentriert bleiben sollte.
Und nicht zuletzt ist die Strecke einfach wunderschön! Zumindest für mich entsteht die Illusion, wirklich auf dieser Route unterwegs zu sein. Im Sonnenaufgang am Rhein entlang von Koblenz in Richtung Loreley zu fahren oder im Sonnenuntergang von Mainz nach Bingen, Fahrten im Regen oder im Schnee, das sieht einfach toll aus und entspannt mich total. Man entdeckt auch nach der X. Fahrt immer noch neue Details oder nette Kleingkeiten. Klar, es geht alles immer noch besser. Und an manchen Stellen merkt man natürlich den Budgetzwang, den es bei der Erstellung der Strecke offensichtlich gab. Trotzdem ist die Linke Rheinstrecke neben Dresden – Riesa und der Niddatalbahn mein absoluter Favorit in TSW3 – und hoffentlich dann auch in TSW4.