Nachdem ich mich ja mal an einem Video-Tutorial "Wie fährt man eine Dampflok richtig" versucht habe und dafür -na klar- sicherlich schallendes Gelächter geerntet habe , hat sich doch ein interessanter Schriftwechsel mit einem richtigen langjährigen Dampflokführer (Heinz, bei youtube unter dem Namen roststab zu finden) zum dem Thema ergeben.
Mit seiner freundlichen Genehmigung und unter nochmaliger ausdrücklicher Danksagung von mir, darf ich hier die Ergebnisse zitieren, da eine Verlinkung in meinen Nachrichtenbereich bei Youtube nicht geht.
Unter dem Aspekt, dass auch hier im Forum verschiedene "Strategien" zum (Dampf)-Lokfahren angeboten werden, eine nette Zusammenfassung. Werde vlt. nächste Woche nochmal ein neues Tutorial dazu machen.
Los gehts!
"...Aber glaube mir, Dampflok fahren ist anders. Ich habe es über 30 Jahre gemacht. Nur mal als Beispiel: Gegendruckbremse, das ist die ultima ratio. Wenn nichts mehr geht, wird dieses Verfahren angewandt, weil es andernfalls zu schweren Schäden an der Lok führen kann und man macht es auch nicht bei Höchstgeschwindigkeit, sondern wenn die Geschwindigkeit bei vielicht 30 max. 50 km/h liegt. Den sogn Hilfsbläser, das Handrad, was du immer zum Steigern des Kesseldruckes nimmst, bleibt eigentlich bis auf Tunnelfahrten, beim Feuern und gelegentlich im Stillstand immer geschlossen. Die Feueranfachung macht die Lok allein. Dazu muß aber das richtige Verhältnis Steuerung (fälschlich "Richtungswender") und Regler gegeben sein. Grundsatz: Regler "voll auf" und Steuerung entsprechend einregeln. Beim Anfahren war das richtig gemacht. Überwinden der Massenträgheit durch volles Öffnen des Reglers und anschliessendes Beiziehen. Dann wieder langsam Öffnen und ab ca 30 km/h voll Öffnen. Ab jetzt nach und nach die Steuerung bis auf etwa 25 % zurück legen. Geht es bergauf, die Steuerung langsam zu größeren Werten öffnen. Der Regler bleibt bis auf Talfahrten oder wenn der Kesseldruck zu hoch wird immer voll geöffnet. Steigt der Kesseldruck trotzdem, Wasser mit dem Injektor nachspeisen. Üblicherweise wird das Wasser mit einer Kolbenpumpe nach gespeist. Der Injektor, das Gerät, was du immer benutzt hast, senkt den Kesseldruck und wird deshalb nur im Stillstand der Lok benutzt. Schau mal
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"...es ist mit Sicherheit ein Problem, daß nicht alles vom Programm real umgesetzt werden kann. Aber probier mal aus, ob du ohne den sogn. Hilfbläser, oft auch nur Bläser genannt, mit voll geöffnetem Regler den Kesseldruck halten kannst. Die Steuerung sollte auf ebener Strecke bei etwa 25 % liegen. Dabei müßte die Kohlemenge auf dem Rost geringer werden, die du dann ergänzen mußt. Wenn das möglich ist, dann scheint das Programm doch recht real zu funktionieren. Dann müßte auch der Kessel konstant mit der sogn. Fahrpumpe gleichen Stand halten können. Die Fahrpumpe ist die Kolbenspeisepumpe für die es eine Handrad gibt (wenn ich jetzt den Führerstand recht in Erinnerung habe oberhalb des Hilfsbäsers). Das Halten des Wasserstandes ist in der Realität die Kunst des Heizers. Wenn der Lokführer die Dampfentnahme erhöht (Regler voll auf und Steuerung auf hohen Werten) dann muß auch Die Wasserzufuhr steigen und nach gefeuert werden. Gute Heizer, beobachten immer ihren Lokführer, wie er an der Steuerung dreht."
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Antwort von mir wg. Verständnis:
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Fazit: Mit geöffnetem Regler ist man ziemlich "rasant" unterwegs.
Es funktioniert (auch im Simulator) sehr gut so, wie von Dir beschrieben, wird dann auch ohne Bläser genug Dampf erzeugt. Das Problem ist, das die gesamte Strecke sehr flach ist, und man somit beim Anfahren alles rausholen muss, danach muss der Regler doch ziemlich zu. Zum Glück gibts viele Bahnhöfe...! Irgendwie hängt die Dampferzeugung auch noch von der Geschwindigkeit ab, hätte nicht gedacht, dass das so unglaublich komplex ist, das war ja eine richtige Kunst.
Eine Fahrpumpe (Kolben?) in dem Sinne habe ich nicht gefunden, ich lasse deshalb einen Injector "ein bischen" offen, dann funktioniert es sehr gut und der "Stress" mit dem Wasser ist erst mal weg. Habe es mit der 01, mit der 38 und der 86 versucht.
Eine Frage hätte ich aber doch noch: Wie und wozu benutzt man den Dämpfer (Bediengriffe am Boden vor der Feuerbüchse) ist das eine Art Luftklappe?
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"...Ich habe jetzt das Bild vom Führerstand der gezeigten Loks nicht im Kopf, wie es im Spiel ist, aber im Original hat der Heizer da, wo auch der Hilfsbläser ist ein Handrad, auf dem Speisepumpe steht, damit wird die Kolbenspeisepumpe in Betrieb genommen. Bei einem Video, ich glaube es war im ersten Teil, hast du dies Handrad auch kurz betätigt. Ob da im Programm dann auch tatsächlich Wasser in den Kessel gepumpt wird, kann ich natürlich nicht beantworten. Beim Original ist es jedoch der Fall. Da hat der Heizer auch noch en Kontrollinstrument, den sogn. Hubzähler, aber dieses Manometer wie auch das Manometer für die Zugheizung scheint das Programm nicht zu kennen. Dafür hat es aber den Dämpfer (lustige Bezeichnung für die Luftklappen), aber genau diese dämpfende Wirkung auf das Feuer haben die Klappen. Klappe zu heißt, es kommt wenig Luft ans Feuer, die Verdampfungsleistung und der Druck sinkt. Klappe auf heißt, es kommt Luft ans Feuer, die Dampfproduktion steigt. In der Wirklichkeit ist hier eine gewisse Gradwanderung vorhanden. Zuviel Luft bedeutet u.U. daß zuviel kalte Luft in die Feuerkiste dringt und die Verdampfung dadurch etwas nachläßt. Aber ich glaube nicht, daß es diese Feinheit im Programm auch gibt. Beim Fahren immer die in Fahtrichtung vordere Klappe öffnen. Das sorgt für eine gute Verbrennung und steigenden Kesseldruck. Loks wie die 01 mit Neubaukessel haben auch noch seitliche Luftklappen. Da kann ich jetzt nichts zum Programm sagen, aber sie sollten auch geöffnet werden. Zur vollständigen Verbrennung von 1 kg Kohle benötigt man etwa 8 m³ Luft. Das ist eine große Menge. Wird der Lok keine Leistung abverlangt (Rangieren z.B. ) dann bleiben die Klappen zu. Für mäßige Fahrt in der Ebene werden die Klappen 1/4 bis 1/2 geöffnet und bei Fahrt mit großer Last bergauf öffnet man die Klappen ganz. Bei einem realen Dampflokkessel ist es noch wichtig, daß die Feuerschicht im Kessel nicht zu hoch liegt. Dann entsteht in der Feuerschicht nicht das Gas CO2 sondern das Gas CO. Das ist besonders im Tunnel für die Lokmanschaft gefährlich. Und noch ein entscheidender Nachteil ist vorhanden. Die Verbrennung zu CO2 liefert die volle Wärmemenge. Die Bildung von CO ist genau andersherum, sie verbraucht Energie. CO kann zwar zu CO2 weiterverbrennen und dann ist auch hier die volle Energie zur Verfügung. Doch ist das nur theoretisch. Es passiert eben nicht , weil die Gase sofort zum Schornstein geleitet werden und garnicht miteinander reagieren können, deshalb ist unterdem Strich eine negative Wärmebilanz vorhanden und der Kesseldruck muß sinken. Du siehst, Heizer sein heißt, auch etwas von Verbrennungstechnik zu verstehen und nicht nur Schaufeln. Wobei das Schaufeln nicht heißt, einfach Kohle in das Loch werfen und gut ist. Nee, nee die Kohle soll so auf dem Rost liegen, daß die Schicht ungleichmäßig ist. Idealerweise liegt sie so auf dem Rost, wie die Schaufel selbst geformt ist. Vorne flach und nach hinten und den Seiten etwas höher. Das verhindert, das kalte Luft an den Heizwänden durchkommt und somit die Wände abkühlt. Da der Rost im Normalfall etwas schräg ist rutscht die Kohle von selbst nach vorne. Deshalb braucht man hier keine Kohle hinwerfen. Aber ich bin sicher, auch diese Feinheit kennt das Programm nicht. Wäre aber toll, für ein 2 Personenspiel mal so etwas mal zu entwerfen. Da kann man dann wirklich nachempfinden wie kompliziert die Bedienung und Behandlung einer Dampflok tatsächlich ist. "
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Noch eine Antwort von mir:
Wenn ich am Stellrad öffne, ist daneben ein Manometer ohne Ziffern mit kg/cm2-Skala, es pulsiert (auch im Stand) auf und ab während der Speisung.
Ganz oben beim Generator gibt es ein unbeschriftetes Handrad (Steam Injection Support beim Mouse-Over), wenn ich es schliesse, findet keine weitere Speisung mehr statt.
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"...ich versuche alles der Reihe nach abzuarbeiten. Fangen wir mit dem Naßdampfregler an. Nur wenige deutsche Dampfloks hatten einen Heißdampfregler. Eingeführt wurde er nur bei den Nachkriegsbauarten (BR 10, 23, 65, 66 und 82) und den Neubaukesseln (BR 01, 01.10, 03.10 und 41). Da gab es zwei verschiedene Bauarten. Den Mehrventilregler und den Einventilregler. Der EVR arbeitete ziemlich fehlerfrei. Nicht so der MVR. Dieser z.B in der BR23 eingebaute Regler wurde daher auch wieder ausgebaut und durch den alten Naßdampfregler ersetzt. Die Heißdampfregler hatte alle das Problem, daß sie sich schwer bewegen und nicht sicher schliessen lassen. Das lag aber an übergerissenem Kesselwasser. Die Salze im Wasser lagerten sich auf den Reglerelementen ab und verursachten somit die Schwergängigkeit. Da man seit der Reichsbahnzeit schon dem Kesselwasser Chemikalien zusetze, damit sich kein Kesselstein bildet, haben diese Zusätze das Problem noch erhöht."
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"... Das Manometer ohne Ziffern ist der Hubanzeiger. Wenn die Kolbenspeisepumpe arbeitet preßt sie gegen den Druck im Kessel das Wasser ein. Dies äußert sich durch einen Druckanstieg, der an diesem Manometer angezeigt wird. Das ist für den Heizer das sichtbare Zeichen, daß und vorallem wie schnell die Pumpe arbeitet. .."
"Das Ventil neben dem Handrad ist ein Dampfabsperrventil. die durfte aber nur den Dampf für den Injektor (wie es auch die englische Bezeichnunng beschreibt) absperren. Die Kolbenspeisepumpe müßte eigentlich weiterlaufen, weil sie wie auch der Turbogenerator und die Luftpumpe den Dampf direkt im Dampfdom entnimmt."