GreatNortherner hat eigentlich alles Wichtige zur Methodik des Bauens an sich gesagt. Und die ganz richtige Aussage von 143er benutze ich jetzt mal als Brücke:
Stadtstrukturen haben immer mit Raumbildung zu tun. Der erste Punkt, den Du beachten solltest, ist daher der Stadtgrundriß. Ein gutes Instrument, um dafür ein wenig Gefühl zu bekommen, sind sog. Schwarzpläne. Um es sehr zu vereinfachen: Durch die Stellung der Gebäude bilden sich Räume unterschiedlicher Form und Proportion - das sind Straßen, Wege und Plätze oder Freiflächen ("grün" oder "versiegelt" - z.B. Lagerflächen...).
Schau Dir für den Anfang mal Beispiele unterschiedlicher Siedlungsstrukturen an - um es ganz plakativ zu machen: vergleiche mal Fotos der Altstadt von Siena mit der Großsiedlung Köln-Chorweiler und einer beliebigen Neubausiedlung der letzten 20-30 Jahre. Das Verhältnis zwischen den Gebäuden und dem Freiraum folgt immer bestimmten (unterschiedlichen) Regeln.
Im klassischen Städtebau war es immer so, dass man solche Räume mit entsprechenden Proportionen ganz bewusst entstehen lassen wollte. Das gilt auch für die mittelalterlichen Städte, von denen man lange Zeit behauptet hat, die wären "organisch gewachsen". In aller Regel - sieht man von "Planstädten" wie Palmanova oder Karlsruhe ab - gab es bei Entstehung oder Ausdehnung von Städten "natürliche" Zwangspunkte zu beachten (Wasserläufe, Berge, historische Straßenzüge etc.).
Der nächste Punkt: Gebäudetypen, Höhe und Stellung. Stadtteile und einzelne Straßenzüge sind oft innerhalb relativ kurzer Zeitperioden entstanden und wirken daher in Architekturform, Gebäudehöhe, Fassaden etc. häufig harmonisch. Wenn ich aus dem Fenster sehe, sehe ich z.B. ausschließlich vier- bis fünfgeschossige Gründerzeithäuser ähnlicher Höhe und Farbigkeit. Oft haben sich diese homogenen Strukturen im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte stark verändert (Stadtbrände, exposionsartiges Wachstum und Verdichtung durch die Industrialisierung, kriegsbedingte Zerstörungen, Anpassung der Städte z.B. an das Leitbild der "autogerechten Stadt" usw. Dabei entstehen dann solche speziellen Mischungen wie das gründerzeitliche fünfgeschossige Wohnhaus direkt neben einem eingeschossigen früheren Bauernhaus, daneben eine Aldi-Supermarktkiste. Auch das kann man im Simulator nachbauen, sollte aber ein bisschen Gespür dafür entwickeln, was in der Realität wirklich vorkommt. Die meisten Situationen lassen sich aus der (Bau-)geschichte heraus begründen und sind auf viele Orte übertragbar.
Drittens: der Stadtboden. Straßen und Wege laufen nicht einfach irgendwie zwischen Gebäuden entlang, Gebäude bilden, wie oben gesagt, Straßenräume. Straßenraum ist die gesamte Breite zwischen zwei gegenüberstehenden Gebäuden (oder Grundstücksgrenzen), nur ein Teil davon ist die Fahrbahn. Jedes Gebäude hat eine Erschließung, aber in der Regel nur eine. Es gibt eine Eingangsseite zum öffentlichen Raum, also zur Straße hin, und in der Regel einen rückwärtigen Bereich (früher oft Nebengebäude, auch Gewerbe, heute oft Gärten oder halt Platz-zum-Autos-abstellen).
Der letzte Punkt vielleicht: auch wenn zeittypische Einfamilienhaussiedlungen meist eine ganz irre Mischung aus unterschiedlichsten Pseudo-Regionalstilen sind (Schwarzwaldhaus neben Blockhütte neben Barockschlösschen neben wasweißich) - beim Streckenbau solltest Du Dir Gedanken machen, in welcher Region Du Dich verortest. Ich fand z.B. immer die Fachwerkhäuser bei der Strecke Köln-Düsseldorf ziemlich schräg.
Um etwas genauer auf Deine screenshots einzugehen: Wenn Du das Umfeld von Bahnhöfen gestaltest, solltest Du Dir immer Gedanken machen, in welchem räumlichen Verhältnis Bahnanlagen in ihrer Bauzeit zur Siedlung standen. Oft lagen Bahnhöfe relativ weit außerhalb des bebauten Bereiches der Städte - dann entstanden in der Folgezeit häufig "Bahnhofsalleen" als Verbindung, oft wurden sie zu neuen Zentren mit Hotel, Post, Geschäften etc. Manchmal wuchs die Stadt insgesamt bis an die Bahnanlagen heran, manchmal ist der Bahnhof bis heute abgekoppelt von der zugehörigen Siedlung. Es gab immer und überall große Güterverkehrsanlagen. Hallen, Schuppen, und vor allem überall Industrie, oft sogar in kleinsten Gemeinden (Erzgebirge ist da ein gutes Beispiel, das Allgäu eher nicht). Fazit: auch wenn Du fiktiv baust - überlege Dir zunächst ein glaubwürdiges Setting und versuche Dir vorzustellen, was das in Deinem konkreten Fall bedeutet. Warum z.B. hast Du einen großen, viergleisigen Kopfbahnhof? Muss also eine größere Stadt sein, wo viele Züge enden und beginnen. Wenn größere Stadt, muss es hier auch mal größere Güterverkehrsanlagen gegeben haben. Wo waren die? Auf dem zweiten screenshot sieht man links neben den Gleisen ein graugrünes, typisch süddeutsches Haus, das vom Baualter her schon vor dem Bahnbau hier an einer Landstraße stand. Die Güterverkehrsanlagen können also nur rechter Hand gewesen sein... Screenshot 1 zeigt viel Platz zwischen Waldrand und Bahnanlagen, vermutlich also hier früher Gleise und Güterschuppen etc.. Aber: wie ist man da aus der Stadt hingekommen? Waren wirklich die ganzen Güteranlagen nur über einen ranzigen Feldweg erschlossen...? Und dann, wieder screenshot 2, hinter einer Hecke landwirtschaftliche Nutzfläche... Nie im Leben! Entweder sind das heute Sukzessionsflächen, da wächst dann Gestrüpp und sehr gerne Birken (Schotterflächen!) oder, noch lieber, wenn Aurelis die Flächen vertickert hat, stehen da Schlecker- und Plus-Märkte (oder wie sie heute alle heißen) und Parkplätze bis zum Horizont.
Worauf ich damit hinaus will: das A und O beim Siedlungsbau ist Glaubwürdigkeit. Schau Dir einfach die Welt vor Deiner Haustüre genau an und versuche dann, das zu abstrahieren und auf Deine fiktive Streckenbausituation zu übertragen. Dann wird das auch was.
So. Diese Ausführungen zum Thema "Städte bauen" konnte ich mir jetzt doch nicht verkneifen, hoffentlich waren es keine Mythenmetzschen Abschweifungen.