Flankenfahrt im Bahnhof Niklasdorf


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  • Heute gegen 12:45 kam es im steirischen Bahnhof Niklasdorf (Südbahn - Strecke 41301 - im Abschnitt Bruck an der Mur-Leoben) zu einer Flankenfahrt der Züge EC 216 (Graz Hbf - Saarbrücken Hbf) und SB 1708 (Unzmarkt - Mürzzuschlag) bei der eine Person ums Leben kam und 22 weitere zum Teil schwer verletzt wurden.


    Der EC 216 war 20 Minuten zu spät unterwegs und fuhr ab Bruck an der Mur Stadtwald (Abzw. Richtung/Von Graz) planmäßig auf dem Gegengleis (Gleis 1). Im Bahnhof Niklasdorf standen zu der Zeit die pünktlichen SB 1708 und die SB 4561 (unterwegs auf Gleis 2 von Bruck an der Mur, Richtung Leoben). Da es nur zwei Bahnsteige im Bahnhof gibt, diese sich auf den durchgehenden Hauptgleisen befinden und beide belegt waren, mussten SB 1708 und EC 216 praktisch "kreuzen" weswegen EC 216 über die Weiche 7 auf das Gleis 5 gelenkt werden sollte.


    Als die SB 1708 in den Bahnhof einfuhr, passierte sie das VORSICHT zeigende Ausfahr-Vorsignal am Einfahrsignal "Z". Nach dem Fahrgastwechsel fuhr SB 1708 allerdings ohne Zustimmung (vermutlich mit voller Beschleunigung) gegen das HALT zeigende AS "H1" und damit auch gegen den am Nachbargleis einfahrenden EC 216 an. Dies war möglich da zwischen ES und AS über 1000 Meter liegen und wie an vielen Stellen im ÖBB Netz, weder ein Signalnachahmer mit 1000 Hz Magnet noch ein 500 Hz Magnet verbaut sind. Außerdem herrschte durch starken Schneefall bedingte schlechte Sicht.


    Die SB 1708 fuhr somit dem EC 216 nahezu ungebremst in die Flanke wobei der Aufprall vermutlich auf Höhe des Avmz (1. Klasse Wagen, etwa Zugmitte) erfolgte.


    Zur Verdeutlichung eine Grafik zur Gleisbelegung im Bahnhof:


    Und ein Auszug aus der Bahnhofsskizze (Blau=1708; Rot=216):


    Bild von der Unglücksstelle:



    Bemerkenswert sind die Ähnlichkeiten mit dem Zugsunglück in Rüsselsheim 1990 aufgrund dessen das System PZB 90 eingeführt wurde und dessen Sicherheitsphilosophie hier nicht voll umgesetzt wurde (fehlende 500 Hz Magneten, nur ein einziger (!) im gesamten Bahnhof).
    Außerdem auch die Ähnlichkeiten mit der erst vor wenigen Wochen erfolgten, ebenfalls sehr tragischen, aber glücklicherweise nicht tödlichen, Flankenfahrt im Bahnhof Kritzendorf (Niederösterreich) bei dem auch ein ÖBB CityJet (Desiro ML; Reihe 4744) beteiligt war und bei dem ebenfalls (u.a. wegen eines fehlenden 500 Hz Magenten vor dem Schutzsignal) eine Zustimmung ohne Abfahrt mit folgender Signalüberfahrt die Ursache war.


    Hier noch eine Karte des betroffenen Bahnhofs (Weichennummern müssten eingetragen sein, Signale weiß ich nicht).
    Außerdem die Reihung des EC 216 auf vagonweb.cz.
    Der EC 216 steht im Übrigen unter keinem guten Stern, so kam es im August 2014 im Bahnhof Mannheim Hbf schon einmal zu einem Zusammenstoß einer ÖBB Lok mit dem EC 216.



    !!! Dieser Post soll möglichst sachlich informieren und nicht zu übermütigen und unnötigen Diskussionen anregen. Ich finde es nur falsch in einem Eisenbahn(simulator)forum Unglücke komplett zu verschweigen. Es wäre schön wenn wir uns hier verhalten könnten wie in anderen Threads zu Unglücken auch, die nicht geschlossen werden mussten. Quellen der obigen Darstellung sind Bilder, Grafiken und die Störungsmeldungen der ÖBB Infra AG.

  • Ich will mal ehrlich sein, irgendwie habe ich schon früher mit einem Beitrag zu diesem Unfall gerechnet ;) Auch wenn es hier nicht gerne gesehen ist, wirklich lassen tun es die Leute ja trotzdem nicht...


    In deinem Fall ist der Beitrag aber mal äußerst gut geschrieben und sachlich mit vielen Fakten dargestellt, daher kann man ihn natürlich m.M nach stehen lassen. Ich denke die Forenleitung sieht das ähnlich.


    Der Unfall selbst zeigt aber ganz klar das auch im gelobten Land die Zeit reif ist für eine Sicherung wie PZB90, sprich 500hz Magnete, welche den eifrigen Kollegen der S-Bahn an seinen Fehler erinnert hätten!


    Das in der Hektik des Alltags Signalbegriffe vergessen werden kann passieren, daher haben wir ja die Sicherungen (zumindest bei der DB), welche einen Tf notfalls via. Zwangsbremsung an solche Dinge erinnern.
    Beim Unfall des EC 216 damals in Mannheim half das zwar nicht, allerdings wurde damals vom Tf des Gz. die Zwangsbremsung ignoriert und folgenschwer auch kein Kontakt zum Fdl deswegen aufgenommen...


    Alles in allem wieder einmal ein unnötiger Unfall, welcher mit besserer Sicherungstechnik womöglich hätte verhindert werden könnte! Vielleicht lernt man bei der ÖBB daraus und ändert das in naher Zukunft.

  • Genau (nee siehe unten war sogar ein HS), hab mir in der Eisenbahnrevue die Flankenfahrt von Kritzendorf genau durchgelesen (noch krasseres Beispiel), es ist schon extrem ärgerlich, wenn nicht sogar fahrlässig auf die 500derter zu verzichten oder nur extrem kurze Durchrutschwege zu haben, es sind alles dicht belegte Strecken mit dem Nahverkehr, das passiert doch laufend.

  • @AlpenoStrand Es war natürlich eine Abfahrt ohne Zustimmung. ;)
    Das ich mir Infos irgendwo ausborge ist wohl klar, bin ich doch nicht selbst vor Ort. Dennoch wirst du die obige Skizze und die Zusammenfassung so nirgends 1:1 finden falls du darauf hinauswillst.


    @moritz.hoefner Nein, das HALT zeigende Ausfahrsignal H1 (ist ein Hauptsignal). Jenes das hier rot eingekreist ist (rechtes Gleis). Fahrweg 216 wieder rot, 1708 wieder blau.


  • @hansdampff Ich kann mich noch an eine Diskussion vor Ewigkeiten im Chat erinnern, wo ein oder zwei Personen aus Österreich vehement darauf bestanden haben das man PZB90 nicht brauchte, weil sowas würde nie bei der ÖBB passieren. Joa, sieht man ja jetzt was man davon hat. Das Thema im chat war damals Rüsselsheim 1990, an das ich mich noch sehr gut erinnern kann. Da wir da vorbei musste damals auf dem weg nach Hause.


    Es ist irgendwie traurig das man die Erfahrungen anderer Länder komplett ignoriert mit der "Das ist hier noch nie passier und wird auch nie passieren!"-keule. Welche ja durchaus Weltweit sehr beliebt ist.


    Der einzige bereich der es halbwegs hin bekommt ist die Luftfahrt. (Mal abgesehen davon das man oft über Krisengebiete fliegt wo eine Gefahr bestehen könnte abgeschossen zu werden. Die Luftrausperrung für Kommerzielle Flieger erfolgt dann in der regel nachdem ein Flugzeug abgeschossen wurde.)

  • PZB90 nicht brauchte, weil sowas würde nie bei der ÖBB passieren.

    Das ist in Wahrheit leider eine sehr verbreitete Meinung. Nicht nur bei diversen "Rostalgikern", sondern leider zum Teil auch bei den diversen ÖBB Sparten. Erst als es vor ein, zwei Jahren zu einem kleinen Unfall in Süßenbrunn kam (4020 vs. 1116) beschloss man zumindest die 1142 mit I60 aus dem Passagierdienst abzuziehen. Mehr kosmetisch aber vielleicht ein (klein bisschen) Umdenken.
    Auch Schutzweichen, bzw. zwingender Flankenschutz allgemein ist bei den ÖBB auch nichts bekanntes. Siehe die Unfälle in Kritzendorf 2009, 2017 und Meidling.

  • @lol515 hab den Eisenbahnrevueartikel zu Kritzendorf Dez17 aus der aktuellen Ausgabe leider nicht vor der Nase, ging es dort aber nicht auch um einen viel zu kurz bemessenen Durchrutschweg, also selbst wenn ein vorhandener Magnet gebissen hätte wäre es zur Kollision gekommen und dass diese Situation in der Praxis häufiger vorkommt? Bin jetzt nicht so firm, aber in den MIBA Signalheftchen wird der Durchrutschweg ausgibig besprochen, klingt in der Theorie ganz gut, aber die Einbausituationen in der Praxis sind wohl nicht immer so einfach (dazu eventuell auch die neuen Triebwagen die sicher rascher beschleunigen und so eher neuralgische Punkte erreichen). Naja viel Spekulatius, erstmal an die Betroffenen denken, dann analysieren und handeln!

  • @hansdampff Die deutsche Durchrutschwegwissenschaft wird allerdings auch nur bei uns so durchgezogen.


    Österreich und die Schweiz haben sowas teilweise gar nicht oder nur sehr kurz. Ich kenne ein Bild von einem Schweizer Blocksignal, da steht ein Zug nur eine halbe Wagenlänge hinter dem Signal.


    Länder wie die USA kennen gar keine Durchrutschwege. Und in Frankreich darf bei Halt sogar grundsätzlich auf Sicht in Bahnhöfe gefahren werden......

  • Wird sowieso meist alles Umgerüstet in den nächsten Jahren. Die restlichen ÖBB 80 73 mit I60 bekommen alle PZB90 so fern sie nicht am Friedhof landen, 4020 zahlt sich nicht mehr aus.
    1142 haben schon teilweise, die mit I60 dürfen nicht mehr im Personenverkehr fahren nur Güter.


    ETCS ist die Zukunft.

  • Österreich und die Schweiz haben sowas teilweise gar nicht oder nur sehr kurz.

    In Österreich sind es egal wo und wie immer mindestens 50 Meter.

    Wird sowieso meist alles Umgerüstet in den nächsten Jahren.

    Das Problem sind ja auch gar nicht die Fahrzeugseitigen Geräte, denn die waren ja sowohl in Kritzendorf als auch in Niklasdorf bei allen Fahrzeugen vorhanden. Es fehlt besonders an 1000 Hz mit Signalnachahmern und 500 Hz Magneten.