Ich habe mir in den letzten Wochen viele Berichte und Meinungen von Experten, "Fachleuten"(eher Verschwörungstheoretiker) und Lokführern durchgelesen und habe auch mit zwei Lokführern gesprochen und muss sagen, dass das Ergebnis fast schlimmer war als zuvor erwartet.
Deshalb möchte ich hier meine gesammelten Erkenntnisse kurz zusammenfassen. Solltet ein Punkt nachweislich falsch sein oder definitiv durch ein Gegenargument wiederlegbar sein, so bitte ich euch mich zu korrigieren.
Was spricht für die Ausbildung:
Es ist kein 0815 Job. Viele Leute, vor allem junge, haben beim Begriff "Arbeit" zwei Bilder im Kopf. Einerseits im Büro sitzen und dort arbeiten oder in einem tollen Start-Up arbeiten und vielleicht damit reich werden. (Ist kein Scherz! Hab einige Leute aus meiner Schule gefragt und bin auch im Netz oft über diese Meinung gestoßen). Aber als Lokführer kommt man rum. Man sieht etwas. Egal ob Regio, S-Bahn oder Fernverkehr, überall gibt es etwas zu sehen und jeder Tag bringt neue Herausforderungen. Sei es das Wetter, die Fahrgastzahl, weil man in der HVZ fährt oder eine Störung an der Strecke, kein Tag ist wie der Vortag. Also für Leute die nicht nur tagein tagaus im Büro versauern wollen ist es definitiv eine Überlegung wert.
Es mag eingebildet klingen, aber habt ihr schon mal darüber nachgedacht das ohne Lokführer das Land aufgeschmissen wäre? Es würden noch längere Staus entstehen, die Leute währen noch schlechter drauf und auf Dauer macht sich Frust breit. Aber dank den werten Kollegen hinterm Steuer lässt sich das ein wenig verbessern.
Des weiteren gebührt dem Lokführer auch ein wenig Stolz. Er sorgt immerhin dafür, dass er hunderte oder gar tausende Menschen am Tag sicher von A nach B bringt, wenn auch oft mit Verspätung und immer voll dabei sein muss. Ich ziehe meinen Hut vor allen Lokführern, insbesondere denen die Nachts am Güterzug unterwegs sind. Ihr habt eine sehr schwere Aufgabe und bin dankbar dafür, dass ihr sie für uns macht. Und dass Autofahren weniger sicher ist, vor allem morgens, wenn man noch müde ist, ist bewiesen.
Was spricht gegen die Ausbildung:
Eines der Hauptargumente gegen den Beruf des Lokführers, seitens einiger Experten und auch einiger Eisenbahner, ist die stetige Automatisierung, welche in den nächsten Jahren für große Veränderungen im alltäglichen Leben sorgen soll. Davon ist die Bahn nicht ausgeschlossen. Oft ließt man, dass ein autonomer Fahrbetrieb nur in geschlossenen Systemen möglich wäre und man sich deshalb noch keine Gedanken machen müsse. Allerdings beweist uns so mancher Autohersteller, dass wir uns sehr wohl damit beschäftigen müssen. Unsere Straßen sind kein geschlossenes System und dass so manches (Test)Auto bereits selbst fährt und der Fahrer nur noch zuschauen muss, dass die Technik keinen Unfall baut, zeigt dass wir bereits näher an der Sache sind als wir manchmal glauben (wollen).
Im Zuge der Automatisierung verbreitet sich auch ETCS langsam aus. Laut EU Verordnung, müssen derzeit alle Fahrzeuge mit einer Vmax >160km/h mit ETCS ausgerüstet werden. In den nächsten Jahren soll es für alle Fahrzeuge verpflichtend sein. Der Plan einiger EU-Abgeordneter scheint es auch zu sein, dass ab 2022 ETCS Level 2 bei jedem Trassenneubau und ab 2025 bis 2030 alle Strecken auf mindestens Level 2 gebaut sein müssen. Wie bereits oben erwähnt sind es die Kosten, die uns davor noch bewahren.
Ein weiterer, eher von der persönlichen Einstellung abhängiger, aber dennoch wichtiger Grund. Der Lohn. Von vielen Seiten erfährt man, dass das Gehalt eines EiB/Tf eher mäßig, um nicht zu sagen viel zu wenig, ist. So könne manch einer sich gerade so über Wasser halten, andere haben Wohnen 50km außerhalb der Stadt und pendeln über 1 Stunde zur Arbeit. Und ja, mir ist bewusst, dass viele anderer Jobs eine ähnlich angespannte Situation haben. Die Lohnverhandlungen decken oftmals nur die Inflation und auch Streiks helfen nicht immer weiter.
Auch der letzte Punkt ist eher subjektiv und kommt auch etwas auf den Einsatzbereich an. Vielerorts fehlen den EVUs Mitarbeiter. Dies führt dazu, dass es vermehrt zu Zugausfällen kommt, da einfach kein Lokführer vorhanden ist. Das Resultat ist ein strafferer Dienstplan, der sich anscheinend oft ändert, Freizeitplanung ist somit vom Tisch, und so kommt es, dass durch diesen fast ständigen Stress öfters zu Krankheitsfällen als normal, dies führt zu noch problematischeren Dienstplänen, usw. Auch der Faktor Familienplanung ist bei diesem Job nicht einfach. Beide Lokführer mit denen ich gesprochen habe, haben mir gesagt, dass es nur sehr schwer möglich ist, eine Beziehung halten zu können, da man sich manchmal kaum sieht bzw. im Fernverkehr oftmals nicht im Heimatort schläft.
Auch wenn es eher ein Tabu-Thema ist, muss es erwähnt werden. Man muss sich im klaren sein, dass ein Lokführer 1-3 Personenunfälle in seinem Dienstleben erlebt. Oftmals handelt es sich dabei um Selbstmord oder fast noch schlimmer um einen Unfall mit einem Kind. Wenn so etwas passiert wird man zwar anscheinend gut betreut um alles verarbeiten zu können, aber in den ersten Minuten ist man allein und auf sich gestellt.
Das Stichwort "alleine" bringt mich zum letzten Punkt. Du verbringst die meiste Zeit alleine. Beim Fahren ist das zwar eher gut, da du dich auf die Strecke konzentrieren musst, aber auf Kollegen trifft man für gewöhnlich nur Mittags und zur Ablöse.
Also ich wundere mich nicht, warum die EVU viel zu wenig Nachwuchs haben. Im schlimmsten Fall in ca. 10 Jahren arbeitslos oder nur mehr zuschauend (bei weniger Gehalt) im Zug, eine umständliche Lebens- und Wohnsituation, weil das Gehalt so niedrig ist und Beziehungsprobleme sind quasi vorprogrammiert.
Mag sein dass die Argumente nicht ganz vollständig sind aber langsam schlafen mir die Hände ein
Wer bereits meine vorigen Beiträge gelesen hat, der weiß, dass meine Hauptsorge die Automatisierung ist. Ich gehe auf eine technische Schule und kenne mich mit so mancher Technik die dahinter steckt aus und weiß wozu diese in der Lage ist. Dazu kommt der Umstand, dass ich am liebsten bei der S-Bahn München anfangen würde, da mir die Strecken besser gefallen und diese Abwechslung zwischen Großstadt und Umland gefällt. (In Tirol kann man entweder durchs Tal oder zum Brenner oder nach Seefeld. Dazu kommen die Talent 1, welche ich nicht wirklich leiden kann) Dazu müsste ich natürlich alles hinter mir lassen und in München quasi neu anfangen.
Dem Gegenüber steht ein großes Interessen am Bahnfahren, wo man nun abwägen muss was einem wichtiger ist.
Ich persönlich werde es so machen, dass ich mich sobald ich mit der Schule fertig bin (im Sommer) auf alle Stellen (Bahn und nicht-Bahn) bewerbe, schaue was passiert und dann eher spontan entscheide.
Ich hoffe ich habe alles halbwegs klar und deutlich wiedergeben können und einen konstruktiven Beitrag zu dieser Thematik leisten können. Ich freue mich schon auf eure Antworten.
LG