Hallo zusammen,
dann werde ich auch mal was dazu sagen. Ich bin jetzt seit 2,5 Jahren EiB L/T bei DB Regio und fahre selbst schon im Schichtdienst. Ich denke dadurch habe ich einen gewissen Einblick in die Materie.
Als erstes möchte ich sagen, dass ich weder in der GDL, noch in der EVG bin. Eigentlich hatte ich zu Beginn meiner Ausbildung vor, der GDL beizutreten. Nach der letzten großen Streikwelle zum Thema Tarifpluralität, habe ich
ich mich dann aber entschieden, damit noch zu warten, da ich finde, dass die GDL damit ihre Streikmacht missbraucht hat, um ein Ziel zu verfolgen, dass mehr ihr selbst (also der Gewerkschaft als Wirtschaftsakteur), als ihren Mitgliedern genutzt hat. Im Gegenteil, sie hat ihren Mitgliedern und vor allem unserer Berufsgruppe der Triebfahrzeugführer eher geschadet, indem sie unseren Ruf ruiniert hat. Versteht mich jetzt bitte nicht falsch. Ich finde es gut, dass wir eine so starke Gewerkschaft haben, sie sollte nur ihre Streikmacht wieder für ihre Mitglieder einsetzten und nicht für sich selbst.
Nachdem ich nun die Erklärung der GDL gelesen habe, scheint sie dieses Mal auch wieder das Richtige zu tun. Denn leider muss ich sagen, dass sie mit allem, was sie sagt, Recht hat. Dies ist meiner Meinung nach eine Folge des jahrelangen Missmanagements der Bahn sowohl durch den Vorstand, als auch durch die Politik. Insbesondere die Politik denke ich, ist hauptsächlich schuld an der miserablen Situation des Bahnverkehrs. Denn seit der Privatisierung der Bahn, versucht sie, die Bahn nur in eine Richtung zu lenken: sie soll so billig wie möglich sein. Um dies zu erreichen versucht sie, den Bahnverkehr als Wirtschftszweig zu betreiben und zwingt die EVU durch Ausschreibungen sich kaputtzusparen. Gleichzeitig will man aber immer mehr Züge fahren lassen und immer bessere Qualität. Dass das nicht funktionieren kann ist klar. Denn wieso sollte es im Bahnverkehr anders sein, als überall sonst, wo man, wenn mal mehr Qualität will, auch mehr investieren muss. Und die EVU tun natürlich alles, um so billig wie möglich zu sein und die Ausschreibungen zu gewinnen. Das heißt, die Qualitätsansprüche werden systematisch nach unten geschraubt (und die Politik toleriert das, trotz gegenteiliger Versprechungen, denn wenn es drauf ankommt, möchte man dann doch lieber sparen, als höhere Qualität), Ausnahmeregelungen (z.B. bei der Arbeitszeitgestaltung) werden zur Regel gemacht und sowohl Infrastruktur, als auch (die teilweise stark veraltete) Fahrzeugflotte, als auch Mitarbeiter werden bis ans Limit belastet. Wenn man dann die Verantwortlichen damit konfrontiert, wollen sie das entweder nicht wahrhaben (und flüchten sich in ihre idealisierte, aber realitätsferne Scheinwelt) oder sie sagen, dass sie so handeln müssen, um wirtschaftlich bestehen zu können. Und die Fahrgäste? Weil diese auf die Bahn angewiesen sind (solange sie nicht auf das Auto umsteigen wollen, was viele definitiv nicht wollen) und es keine direkte Konkurrenz (andere EVUs zur selben Zeit auf derselben Linie) gibt, müssen sie so gut wie alles, was das EVU ihnen bietet, hinnehmen. Zusammengefasst: das Problem mit dem Bahnverkehr ist, dass er sich nicht selbst rentiert (durch Fahrkarteneinnahmen) und deshalb ein Großteil der Finanzierung des Bahnverkehrs aus der Politik kommt, die wiederum als einziger Besteller des Bahnverkehrs (Nachfragemonopol) Qualität und damit Preis (-> Finanzmittel, die den EVUs zur Verfügung stehen) beliebig festlegen kann. Und da die Politik, auch wenn sie wie gesagt Gegenteiliges behauptet, keinerlei Interesse daran hat, guten Bahnverkehr in Deutschland zu haben und die immer weitergehende Qualitätsabsenkung zu Gunsten der Billigkeit toleriert (das heißt, den Bahnverkehr drastisch unterfinanziert), fährt die Bahn zurzeit so einen kaputten Betrieb zusammen. Und einen Sündenbock hat die Politik auch schon gefunden. Natürlich ist die Bahn Schuld. Das heißt, der ganze (berechtigte) Unmut der Fahrgäste richtet sich gegen die Bahn. Und um die guten Verhältnisse zur Politik nicht zu gefährden, toleriert der Vorstand das und springt sogar noch auf diesen Kaputtspar-Zug auf, statt dass er die Politik ganz klar als Schuldige benennt.
Was nun die Streiks der GDL und die Belastung des Personals angeht. Leider hat die GDL recht und die Behandlung des Personals durch den Arbeitgeber ist auf Grund des oben beschriebenen Sparwahns in Bereichen angekommen, die absolut miserabel sind. Überstunden ohne Ende und eine katastrophale Schichtengestaltung wären da zum Beispiel zu nennen. Das führt dazu, dass viele Mitarbeiter kaum noch ein Privatleben haben und auch die Gesundheit leidet sehr stark darunter. Das Problem ist, dass offenbar allgemein die Meinung vorherrscht, dass wir, da wir unsere Zustimmung zur Schichtarbeit (also Nacht- und Wochenend-/Feiertagsarbeit) gegeben haben, dem Arbeitgeber einen Blankoscheck bezüglich unserer Arbeitszeiten gegeben haben und nur noch Objekte des Allgemeinwohls sind. ABER: wir haben weder zugestimmt unregelmäßiger noch mehr als andere zu arbeiten. Sicherlich lassen sich 8,0 Stunden jeden Tag nicht realisieren, aber eine Schichtlänge zwischen 6,5 und 9,5 Stunden sollte dann doch die Regel sein und nicht die derzeitig üblichen 9-12 Stunden. Und auch die zwei zusammenhängenden Ruhetage in der Woche halte ich für richtig. Es ist schon traurig, dass es uns inzwischen schon vorgeworfen wird, gierig zu sein, wenn wir für etwas Streiken, was für die meisten Menschen völlig normal ist und was auch bei uns zu realisieren wäre. Sicherlich bräuchte man dafür mehr Personal, aber die Ausrede, man habe keines, zählt für mich nicht, da es ja Sache der Bahn ist, dafür zu sorgen, dass man Personal hat und wenn zu wenig Leute Interesse haben, dann sollte man sich mal fragen warum und dann muss man die Arbeitsbedingungen bzw. das Gehalt entsprechend so verbessern, dass es genug Interessenten gibt. Denn so kann man ewig argumentieren: "Wir können eure Arbeitsbedingungen nicht verbessern, da wir zu wenig Personal haben, da keiner es machen will, da die Arbeitsbedingungen zu schlecht sind, ......". Da müsste dann eben der Vorstand hinstehen und zur Politik sagen: "Wir fordern wesentlich mehr Geld, denn ja wir können die bestellte Anzahl an Zügen auch so fahren, aber nur unter Bedingungen die für unsere Mitarbeiter unzumutbar sind und weit unter dem liegen, was für die meisten Arbeitnehmer üblich ist. Aber da wir ja ein Top- Arbeitgeber (erklärtes Ziel des DB-Vorstandes) sein wollen und uns etwas daran liegt, dass unsere Mitarbeiter sich mit dem Unternehmen identifizieren und gerne zur Arbeit kommen und da wir ferner auch an die Zukunft denken und dafür sorgen wollen, dass wir auch in 20 Jahren noch genug Personal haben, was definitiv nicht der Fall sein wird, wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir jetzt etwas an der derzeitigen schlechten Situation ändern. Das heißt entweder ihr gebt uns die Finanzmittel um mehr Personal einzustellen / Anreize zu bieten oder wir können die bestellte Anzahl der Züge nicht mehr fahren und dann fährt entsprechend nur noch im Stundentakt statt im Halbstundentakt ein Zug." Dazu bräuchte man dann auch die Unterstützung der Bürger, die so großen Druck auf die Politik ausüben, dass sich generell am System Bahn etwas ändert, sei es für uns oder auch für euch als Fahrgäste.
Und im Hinblick auf die womöglich auf uns zukommende Streikwelle kann ich nur all denen sagen, die sich schon wieder über uns aufregen: es tut mir zwar leid, dass dadurch für euch Unannehmlichkeiten entstehen, aber unsere fundamentale würdige Lebensgestaltung geht definitiv vor eurer Annehmlichkeit alle 15-30 Minuten einen Zug zu haben. Außerdem kämpfen wir nur für etwas, was für die meisten von euch selbstverständlich ist. Und wahrscheinlich, sind die, die sich am lautesten beschweren, diejenigen, die sich als erste beklagen würden, wenn sie auch nur einen Monat in unserem Beruf arbeiten müssten. Denn ihr habt keine Ahnung, wie unglaublich anstrengend Wechseldienst ist. Bitte beschwert euch über die Missstände, die es derzeit gibt. (Auch uns macht es z.B. keinen Spaß mit veraltetem, stark störungsanfälligem Fahrzeugmaterial durch die Gegend zu fahren.) Aber bitte beschwert euch bei denen, die dafür verantwortlich sind, bei den Politikern auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene und bei den Managern (dem Vorstand). Denn nur sie können etwas ändern, denn nur sie verfügen über die Milliarden Euro, die das System nötig hat. Und bitte lasst euren Frust nicht an den Triebfahrzeugführern und Zugbegleitern usw. aus, denn wir können nichts für die schlechte Qualität und wir geben derzeit unser bestes unter gewaltigen Einbußen in unserem Privatleben, um den Betrieb (für euch) irgendwie noch aufrecht zu erhalten. Wir (das Betriebs-Bahnpersonal) und ihr (die Fahrgäste) sitzen alle im selben Boot, denn wir sind alle Opfer des Sparwahns, der von oben kommt. Also bitte helft uns, dass sich etwas verbessert für uns und auch für euch. Macht Druck, um das System der Geldgier, das uns allen schadet zu brechen. Spätestens nächstes Jahr bei der Bundestagswahl habt ihr ja die Gelegenheit dazu.
In diesem Sinne, hoffe ich, dass sich (womöglich auch durch die Mitwirkung der GDL), die Situation für uns alle verbessert und der Bahnverkehr, wie auch der eigentlich tolle Beruf des Triebfahrzeugführers wieder eine Zukunft haben wird.
Mit freundlichen Grüßen
ProfessorX