Um ehrlich zu sein, kann ich beide Seiten verstehen.
1., pro:
Alte Technik hat sich bewährt.
Durch Jahrelange Erfahrung im Umgang mit den Zügen, haben sowohl Werkstätten, als auch Bedienpersonal
jede Menge Erfahrung und können die Störungen der Fahrzeuge leichter beheben bzw. gar vermeiden.
Kinderkrankheiten sind nahezu ausgemerzt, wenn nicht neue Techniken nachträglich eingebaut werden.
Auch alte Fahrzeuge waren gut für mobilitätseingeschränkte Reisende oder welche mit großem Gepäck.
z.B. in den ABn-Wagen war und ist stets eine Mittelstange, die man zum Mehrzweckabteil hin öffnen konnte mit Vierkant,
sodass dort Rollstühle oder Räder oder Kinderwagen wesentlich leichter eingeladen werden konnten. (Die Höhe stellt jedoch oft ein Hindernis dar)
Zwar waren dafür Hublifte notwendig, jedoch sind auch bei vielen neuen Fahrzeugen meist noch zusätzliche Hilfen notwendig,
wie z.B. Hublifte von Bahnsteigen, befahrbare "Bretter" am Boden, etc.
Die Technik war "einfacher" gestrickt. Man musste zwar viel manuell machen, aber dafür lief einem die (innere Durchgangs-)Tür nicht unerklärlich vor der Nase zu oder
ging ständig auf, wenn man sich nur mal kurz streckte, auf dem Sitzplatz.
Als Personal konnte man mehr bei Störungen machen und als Reisender hatte man eine Vielzahl an Bedienungsmöglichkeiten, die es heute so nicht mehr gibt.
Wie z.B. Abteilmäßig verstellbare Heizungsgregler, auch in Großraumwagen, öffnungsfähige Fenster, etc.
Öffnungsfähige Fenster waren schön, insbesondere wenn die Klimaanlage (später in Fernverkehrswagen als kleine Notfallfenster je Abteil, etc.) nicht mehr wollte; ist jedoch auch leider mit der oftmals notwendigen Druckertüchtigung nicht mehr vereinbar. So gab es damals eben weniger Wagen, die komplett unbesetzt fuhren im Sommer, als wegen Überhitzung heutzutage.
Das Personal musste sich technisch mit dem Zug auseinandersetzten, dadurch mehr Wissen haben und Erfahrungen sammeln.
Durch das Führen von Zugbürokratie merkte man sofort, welche Besonderheiten der Zug hat, worauf man achten muss und welche betrieblichen Erfordernisse ggf. notwendig sind. Junge Zugführer bzw. Zugchefs haben teilweise keinen Überblick mehr über den eigenen Zug.
Man hat insbesondere bei Abweichungen von der Norm auch immer einen zweiten Betriebsbeamten (mindestens Tf und Zf) dabei gehabt, der mal eben schnell helfen konnte, insbesondere im Nahverkehr.
Jeder Nahverkehrslokführer, der heutzutage noch einen Lokbespannten Zug fährt und mal außerplanmäßig einen Lokwechsel durchführen muss, indem eine neue Lok vor den Steuerwagen gespannt und die hintere Lok abgekuppelt wird,
weiß ein Lied davon zu singen, wie schön es ist, wenn man nur noch der einzige Bremsprobenberechtigte am Zug ist.
Ich habe das Gefühl, dass alte Züge hochwertiger gebaut worden sind.
Die verwendeten Materialien für den Innenraum der Fahrzeuge haben oftmals sehr lange gehalten und waren wenig störanfällig, wenn nicht Vandalismus praktiziert wurde.
So verweise ich explizit auf m-Wagen, bei denen man teilweise noch heutzutage (wenn z.B. als Ersatzzüge unterwegs) die Sitze zu einer Liegefläche zusammen schieben kann, was problemlos und ohne viel Kraftaufwand funktioniert, anschließend alles fest ist, wohingegen manche Sitze im ICE 4 schon heute nicht mehr richtig einrasten und sich dann bei jeder Bewegung des Popöchen vor oder zurückschieben oder ausgeleierte Steckdosen, bei denen man 5x stecken muss, bis die Kontakte greifen... (Ja, "mittelalte" Wagen hatten auch schon Steckdosen am Platz ; gingen zum Schluss aber oftmals nicht mehr richtig...)
2., contra:
Alte Technik ist kostenintensiv, weil meist höherer Verschleiß und/oder mehr Personal zum Bedienen im Betrieb notwendig ist.
Neue Technik ist zumeist auch sicherer und die Wagen besser betrieblich einsehbar.
Wer noch mit n-Wagen oder m-Wagen gefahren ist kennt das vermutlich auch:
Wenn einer auf der letzten Stufe steht, sieht man das nicht unbedingt als Zub, weil die letzte Stufe ins Wageninnere vom Wagenkasten in einen toten Winkel gesetzt wird ... die mögliche Folge:
--->>> Tür schlägt ggf. auf Person / klemmt diese ggf. ein.
=== meldepflichtiges Ereignis im Bahnverkehr.
Sowas hat man durch Türen, die bei Einklemmungen öffnen, die mit der Trittstufe abschließen und nicht nur per Deckel vom Innenraum getrennt werden nicht mehr.
Durch Türüberwachungssoftware kann man sich leichter vom "Geschlossen-Sein" der Türen überzeugen.
Alte Innen-Durchgangstüren blieben offen, wenn die Leute sie nicht manuell geschlossen haben.
Lautes Geklapper und schnelle Abkühlung im Winter waren regelmäßig die Folgen.
Als Personal kann man sich auf wichtigere Aufgaben konzentrieren. Die Zeiten, bei denen man als Zub jeden Türgriff bei der Abfertigung draußen überprüfen muss (visuell), ob die Tür wirklich geschlossen ist, auch bei Nacht und/oder schlechter Sicht,
sind vorbei. Man kann wesentlich einfacher und auch (meiner Erfahrung nach) zuverlässig feststellen, dass der Zug sicher zur Abfahrt ist, durch die Türüberwachungen.
Kameratechnik und Hilfetaster (PRM-Ruf oder Notfall) in den Zügen kann dazu beitragen (wenn man als Personal auf Videoaufzeichnungen live darauf zugreifen kann, wie ich z.B. von Hören/Sagen bei Br. 646 erfuhr), dass Situationen im Zug schneller erkannt und beseitigt werden können, weil man zielgerichteter eingreifen kann, als wenn man nur regelmäßig und auf "Gut-Glück" durch den Zug watschelt (als Zub).
Auch Bremsprobenprozesse wurden deutlich erleichtert. Man muss auch nicht mehr so viele Wagenlisten und Bremszettel ausschreiben, wie früher und sämtliche Prüfungen vor Ort an der Technik (z.B. jeden Wagen einzeln bei bei vollen Bremsprobe mit Klotz- oder Diskusscheibenbremse am Wagen selbst überprüfen, etc.) ausüben.
Viele alte Fahrzeuge können auch auf vielen Strecken aus gesetzlichen Gründen (wie Tunnelrichtlinie EBA) NICHT MEHR eingesetzt werden, ergo gar nicht mehr vollwertig bundesweit gefahren werden und eine Nachrüstung mit entsprechender Technik käme oftmals einem technischen Neubau der Wagen gleich, weil z.B. vorhandene Zugsammelschienen nicht noch mehr Impulse transportieren könnten, als es jetzt bereits der Fall ist.
3., sowohl pro, als auch contra (je nach Betrachtungswinkel):
Das Personal braucht weniger hohe Anforderungen, weil intensive Kenntnisse nicht mehr notwendig sind.
Dadurch wird zwar auch weniger Wissen mitgebracht, die Stellen sind jedoch auch leichter zu besetzen, weil die Anforderungen an die Berufsgruppen nicht mehr so hoch.
Durch die alte Technik war aufmerksames Arbeiten unerlässlich, was den gefühlten Wert der Arbeit anhob, jedoch auch bei nicht sehr kompetentem Mitpersonal für Probleme sorgte... (z.B. wenn bei vollen Bremsproben angelegte Handbremsen/Feststellbremsen nicht erkannt wurden und der Zug dann mit Heißläufer irgendwo eine zusätzliche Pause einlegen durfte)
Fluch und Segen: Brandmeldeanlagen am/im Zug. Für Raucher schrecklich, für die Eisenbahnsicherheit ein echter Gewinn.
Die Türen gehen auf, wenn etwas dazwischen steckt.
Jajaja, ich kenne auch die Schlitzohren, die sich freuen würden, wenn manch einem Reisenden mal wieder die Tür ins Gesicht flöge oder der Arm stecken bleibt, wenn man ihn dazwischensteckt. Aber betrieblich stellt das eben immer nicht nur eine "Lektion" da, sondern auch eine Gefahr für Leib des Reisenden und somit eine Betriebsgefahr.
Ich trauere auch "meinen" alten Zügen hinterher. Aber man muss eben irgendwann abschließen und weiter machen, mit dem, was man noch geboten bekommt.
Das, was man sowieso nicht beeinflussen kann, da sollte man sich auch nicht den Kopf drüber zerschlagen.
Es muss weitergehen und irgendwann man kann vielleicht ggf. mal wieder im Ausland mit den alten Wagen fahren oder in einem Museumszug.
Ich fuhr z.B. letztes Jahr mit einer Br. 614 in Rumänien und mit (A)By-Wagen (ost, Halberstädter) in Ungarn.
Ein herrliches Erlebnis, welches mich zurück in meine Kindheitserinnerungen warf. Trotzdem bin ich froh, dass solche Technik heutzutage nicht mehr (hier) massenhaft unterwegs ist,
weil es auch schlicht und ergreifend so ist, dass die jungen Benutzer der alten Fahrzeuge damit nichts mehr anfangen können und deshalb zusätzliche betriebliche Probleme verursachen.
z.B. TB-0-Drucktüren mit Brachialgewalt aufreißen, anstatt zu warten oder Panik schieben, die Tür nicht aufzubekommen, weil sie manuelle Technik schlicht nicht mehr gewohnt sind und nicht wissen, wie diese bedient wird.
Sich zu stark aus dem Fenster lehnen, gar mit diesen Selfiesticks aus dem Fenster, trotz Oberleitung, filmen und ggf. Sachen aus dem Fenster werfen, die Technik beschädigen oder Menschen verletzen können.
Manche, die auch denken, dass Außen-Türen immer aufgehen, wenn man die Hand rein hält, sind auch ein Problem, weil die dann feststecken und potenzielle Unfälle verursachen können,
wie auch bei dem Unfall mit den n-Wagen bei Nördlingen vor wenigen Jahren, als eine Frau auf der bahnsteigabgewandten Seite ausstieg und in der Tür hängend mitgeschleift wurde.
Auch wenn ich den Zügen im Herzen hinterhertrauere, weiß ich, dass ich betrieblich froh bin, dass es diese Probleme zumeist nicht mehr gibt, dank moderneren Techniken und Verfahren.
Das Leben dreht sich weiter...
puuuh, und wer das bis zum Ende gelesen hat: Danke für die Aufmerksamkeit.