Testbericht A4 Pacific Class – JustTrains
Autor: Heiko Müller
1. Informationen zum Vorbild
Mitte der 1930er Jahre benötigte die LNER (London and North Eastern Railway) eine leistungsfähige Schnellzuglok für die neu einzurichtende Expressverbindung „Silver Jubilee“ zwischen London und Newcastle upon Tyne. Man entschied sich für eine Pacific mit Stromlinienverkleidung, technisch basierend auf der von Sir Nigel Gresley einige Jahre früher entwickelten Baureihe A3. Von der neuen A4 wurden zwischen 1935 und 1938 insgesamt 35 Exemplare gebaut. Wie viele andere britische Dampflokbaureihen auch erhielten die Lokomotiven Eigennamen – international bekannt wurde vor allem die „Mallard“ durch die – nicht unumstrittene – Weltrekordfahrt am 3. Juli 1938.
Passend zum Namen des Zuges „Silver Jubilee“ erhielten sowohl die neu konstruierten Waggons als auch die ersten vier Loks der Reihe A4 eine silberne Lackierung; die Serienmaschinen wurden zunächst grün, später dann blau lackiert. Mit Ausnahme einer kriegszerstörten Lok wurden alle Exemplare von den 1948 gegründeten British Railways übernommen und waren bis in die 1960er Jahre in grüner Farbgebung unterwegs. Sechs Maschinen blieben erhalten, drei davon sind heute noch betriebsfähig.
2. Das Addon / Produktbeschreibung:
Das Paket umfasst insgesamt 11 Varianten der A4, wobei der Schwerpunkt ganz klar auf der Umsetzung der heutigen Museumsloks liegt, mit der „Silver Link“ kommt nur eine Variante im Originalzustand der dreißiger Jahre.
Im einzelnen sind enthalten:
„Bittern“ – grüne Farbgebung der British Rail, Zustand um das Jahr 2000
„Mallard“ – blaue Farbgebung der LNER, im National Railway Museum
„Mallard“ – blaue Farbgebung der LNER, Zustand 1980er Jahre mit Headboard (Namenstafel an der Stirnseite der Lok) „Mallard 88“
„Mallard“ – blaue Farbgebung der LNER mit Headboard „The Coronation“
„Silver Link“ – silberne Farbgebung der LNER im Originalzustand 1930er Jahre
„Sir Nigel Gresley“ – blaue Farbgebung der British Rail, Zustand um das Jahr 2000
„Sir Nigel Gresley“ – blaue Farbgebung der British Rail, Zustand um das Jahr 2000 mit Headboard „The A4 Locomotive Society Limited“
„Sir Nigel Gresley“ – blaue Farbgebung der LNER, Zustand 1980er Jahre
„Sir Nigel Gresley“ – blaue Farbgebung der LNER, Zustand 1980er Jahre mit Headboard „Cumbrian Coast Express“
„Union of South Africa“ – grüne Farbgebung der British Rail, Zustand um das Jahr 2000
„Union of South Africa“ – grüne Farbgebung der British Rail, Zustand um das Jahr 2000 mit Headboard „The Flying Scotsman“
Alles Wissenswerte zu den erworbenen Modellen und Szenarien erfährt man aus dem mit 48 pdf-Seiten sehr ausführlichen Handbuch (selbstverständlich in englischer Sprache). Ebenso wird die Bedienung der Loks sowohl für das manuelle als auch für das automatische Heizen exakt beschrieben.
Just Trains weist darauf hin, dass das Addon vom „National Railway Museum“ offiziell lizensiert wurde; außerdem waren mit der A4 vertraute Lokführer an der Entwicklung beteiligt.
3. Installation:
Wie üblich bei Just Trains geht die Installation des Addons einfach und schnell vonstatten; ausgewählt werden muss lediglich die Simulationsplattform (Optionen sind Rail Simulator oder Railworks); das Installationsverzeichnis wird in der Regel automatisch erkannt.
4. Die Modelle:
Die elegante Erscheinung des Vorbildes mit seiner charakteristischen Front wurde von Matthew Ivey ganz hervorragend in ein fein detailliertes 3D-Modell umgesetzt. Scharfe Texturen und der richtige Grad an 3D-Details tragen zum absolut überzeugenden Äußeren der Lok bei. Besonders gut gelungen sind die Treibradsätze mit ihren filigranen Speichen, während dem Rahmenbereich ein wenig mehr an Texturdetails und Patina ganz gut getan hätte.
Beim genaueren Hinsehen fallen dann auch die Modellvarianten auf: es gibt Loks mit Einzel- und Doppelkamin, mit und ohne „Headboards“ und solche mit teilweise abgenommener Fahrwerksverkleidung – wodurch auch die animierte Gresley-Steuerung für den Mittelzylinder sichtbar wird.
Umgesetzt wurden außerdem zwei Modellvarianten des vierachsigen Schlepptenders – mit und ohne „Corridor“, dem internen Seitengang durch den Tender, der beim Vorbild einen Personalwechsel während langer Fahrten ermöglichte. Von außen ist diese Besonderheit durch den Faltenbalg-Übergang leicht zu erkennen.
Weniger überzeugend als das Außenmodell ist der Führerstand ausgefallen – möglicherweise einer performancefreundlichen Bauweise geschuldet. Vor allem im direkten Vergleich mit aktuellen Modellen zeigt der Arbeitsplatz des Lokführers ein paar Schwächen: zwar ist auch hier das Vorbild in allen Details (besonders gefällt der Geschwindigkeitsmesser unter dem Sitz des Heizers) gut wiedergegeben, aber die Texturen sind zum Teil recht grob, die Farben zu grell und zu kontrastreich, und das Fehlen eingerenderter Schatten macht sich im Gesamteindruck bemerkbar. Positiv wiederum: nachts bleibt der Führerstand schön dunkel, und beim Öffnen der interessanten zweigeteilten Feuertür wird die orangerote Glut sichtbar.
Voll überzeugen wiederum können die Sounds – laut Herstellerangabe sind sie Originalaufnahmen von einer der Museumsloks. Mithilfe eines kleines Tools, das im Windows-Startmenu installiert wird, kann man das Geräusch der Luftpumpe wahlweise ein- oder ausschalten. Hintergrund dabei ist, dass in den A4 unterschiedliche Luftpumpen verbaut waren, wobei für eine Bauform eine größere Geräuschentwicklung typisch war. Auf einigen Rechnern funktioniert die Dampfpfeife nicht korrekt – ein Patch hierfür steht aber auf der Just Trains – Website zur Verfügung.
Beherzigt man die im Handbuch gegebenen Hinweise zur Bedienung, lassen sich die Loks nach kurzer Übungsphase ganz entspannt fahren – dies gilt gleichermaßen für weniger erfahrene Benutzer unter Verwendung des automatischen Heizers wie auch für Selbstheizer. Freude macht das Fahren im oberen Geschwindigkeitsbereich, wenn die Lok so richtig ihre Kraft entfaltet – mit dem automatischen Heizer ist es dem Tester allerdings nicht gelungen, rekordverdächtige Geschwindigkeiten zu erreichen; bei etwa 90 mph war Schluss.
5. Die Aufgaben / Szenarien
Zunächst verspricht eine Anzahl von insgesamt 10 Szenarios angenehm lange Spielfreude – bei näherem Hinsehen enttäuscht aber der hohe Anteil an „Free Roam“ (4), und für drei Szenarios wird die ebenfalls von Just Trains vertriebene Strecke „Newcastle to York Modern“ benötigt. Für den Tester, der diese Strecke nicht besitzt, blieben daher gerade einmal vier lohnenswerte Szenarien (drei davon auf der Strecke Newcastle – York und eines auf der Strecke Oxford – Paddington) zu spielen.
Gefahren wurden sämtliche Aufgaben übrigens im Auto-Heizer-Modus.
Alle getesteten Szenarios sind „einfache“ Fahrten zwischen zwei Bahnhöfen – die Lok ist beim Aufgabenstart bereits am Zug; Auf- und Abrüstvorgänge, Rangierfahren etc. kommen nicht vor. Die Fahrten selbst zeichnen sich durch relativ dichten KI-Verkehr aus, der aufgrund des Einsatzes von Standard-Rollmaterial naturgemäß nur mäßig abwechslungsreich ist. Gerade auf den viergleisigen Streckenabschnitten kommt es häufiger zu Überholungen des (oder durch den) Spielerzuges. Negativ fallen aber die leeren Bahnhöfe auf – in keinem der Szenarien war statisches Material auf Nebengleisen platziert.
Bei allen Fahrten waren auf dem Testsystem keinerlei Ruckler oder Performance-Einbrüche zu bemerken.
„Last Fling“
Diese Aufgabe führt den Spieler für etwa 50 Minuten auf die Strecke Newcastle – York. In den späten 1980er Jahren führt die „Mallard“ einen Sonderzug von York Richtung Norden. „Last Fling“ ist ein gutes Einstiegsszenario, das sich problemlos bewältigen lässt, wenn man anfangs eher verhalten fährt und die angegebenen Geschwindigkeiten respektiert – ansonsten schleicht man vor Darlington lange hinter einem vorausfahrenden Kohlenzug her.
„Streaking South“
Diese Aufgabe ist inhaltlich mit der vorherigen verknüpft: auf der Fahrt von Newcastle nach Süden (etwa 45 Minuten) mit „Sir Nigel Gresley“ begegnet man dem Sonderzug aus „Last Fling“. Auch dies eine gut spielbare Aufgabe mit einigen Geschwindigkeitswechseln, vorausfahrenden Zügen und roten Signalen.
„Not all it seems“
Sozusagen ein Phantasieszenario, da keine der vier silbernen Lokomotiven aus der ersten Serie erhalten ist. „Silver Link“ führt einen Sonderzug von York nach Newcastle (90 Minuten). Leider konnte der Tester dieses Szenario aufgrund einer nicht nachvollziehbaren, jedoch reproduzierbaren Entgleisung des Spielerzuges im Bereich Thirsk nicht erfolgreich abschließen.
„Westward Ho!“
Der Spieler bringt einen von der „Bittern“ geführten Sonderzug aus Mark-1-Wagen von Paddington nach Didcot. Keine besonderen Vorkommnisse, die Aufgaben ist problemlos abzuschließen.
6. Systemanforderungen laut Angabe auf der Just Trains – Website
– RailWorks oder Rail Simulator
– Prozessor: mindestens 3.0GHz PC oder jeder beliebige Dual Core
– Arbeitsspeicher: 512 MB RAM (1 GB für Vista)
– Grafikkarte: 256MB 3D mit Pixelshader 2.0 (nur AGP/PCE)
– Windows 7, XP oder Vista
– Direct X 9.0c – kompatible Soundkarte
– 500MB Festplattenspeicherplatz
7. Informationen zum Testsystem:
– Betriebssystem: Windows 7 64Bit
– Prozessor: Intel Core 2 Quad 2.50 GHz
– Arbeitsspeicher: 6 GB RAM
– Grafikkarte: NVIDIA GeForce GTS 450
– Onboard-Sound
8. Fazit
Ein Addon mit vielen Licht-, aber auch ein paar Schattenseiten: Für Fans klassischer britischer Schnellzugdampfloks ist es unbedingt empfehlenswert – Optik, Akustik und Fahreigenschaften der Loks sollen hier nochmals besonders positiv erwähnt werden. Getrübt wird das Gesamtbild ein wenig durch den Führerstand – damit lässt es sich aber leben, weil man für eine bessere Streckensicht ohnehin besser den Kopf aus dem Fenster hängt.
Wenn überhaupt ein richtiger Schwachpunkt des Addons auszumachen ist, dann sind es die ein wenig lieblos gestalteten Szenarien – in der Thematik der Museumsfahrten steckt deutlich mehr Potenzial. Dass zum Spielen aller Szenarien ein weiteres, kommerzielles Strecken-Addon vorhanden sein muss, ist etwas unglücklich.
Mit der Konzentration auf die Museumsloks und – im Falle der Szenarien – auf Sonderfahrten spricht das Addon in erster Linie die Freunde des modernen Betriebs an. Just Trains hat mittlerweile zwei Erweiterungspakete mit Loks im Ursprungszustand der LNER sowie nach der Verstaatlichung veröffentlicht – für deren Installation allerdings das hier getestete Grundmodell vorhanden sein muss. Aus Sicht des Testers thematisieren die beiden Erweiterungspacks eigentlich die interessanteren Varianten des Vorbildes, und zudem werden hier noch Personenwagen der Bauart „Gresley“ mitgeliefert.
Rail-Sim.de übernimmt keine Haftung für Korrektheit und Inhalt dieses Beitrags
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