Geschwindigkeiten plausibel setzen ohne Vorlage

  • Hallo Railsimmer,


    ich möchte eine Dieselnebenbahn nachbauen, die mittlerweile eletrifiziert und eine S-Bahn ist. Ich habe für alle mir genügend erscheinenden Geschwindigkeiten (40 - 120 km/h) eigene Trackrules erstellt. Bevor ich jedoch anfange, fröhlich Gleise zu verlegen, nur um dann festzustellen, dass es nicht passt, würde ich gerne rausfinden, wie man Geschwindigkeitsbegrenzungen möglichst real setzen kann, wenn man keine weiteren Informationen hat.


    Ist das überhaupt möglich? Gibt's vielleicht Richtlinien der Bundesbahn, aus denen ich mir das herleiten kann?


    Ich habe zwar einiges an Literatur zur Strecke, einige Bilder und sogar Gleispläne, aber dort finde ich auch nichts über Geschwindigkeiten. Buchfahrpläne oder Führerstandsmitfahrten habe ich bisher keine gefunden.


    Wenn man die passenden Geschwindigkeiten hat, kann man auch darauf basierende Signale aufstellen, oder?


    Danke schon mal im Voraus *hi*

    Ich habe mir den TS geholt, weil mir Modellbahnen zu teuer sind :ugly:

  • Moin,


    also es gibt die Möglichkeit sich bei der Realität ein bisschen was abzugucken.


    Eine Strecke hat immer eine zugrunde gelegte Entwurfsgeschwindigkeit. Bspw. in deinem Fall 120 km/h oder 100 km/h. Krumme Werte wie 70, 90, 110 wird man da eher nicht finden im Regelfall. niedrigere Geschwindigkeiten gibt es dann auf der Strecke abschnittsweise, z.B. wenn es durch einen sehr hügeligen Bereich geht in dem engere Kurvenradien benötigt werden. Da würde man dann halt von 120 auf 100 km/h herunter gehen um bei der Trassierung gut durch zu kommen. Generell kann man auch sagen, dass vor größeren Knoten durch die engere Bebauung ebenfalls die Geschwindigkeit herunter gesetzt wird. Hier sind es dann halt nicht die Hügel sondern die Häuser, die die Trassierung einschränken. Um die Geschwindigkeit in Kurven einschätzen zu können empfehle ich dir den Artikel zur Kurvenüberhöhung hier im Wiki - da habe ich für Kurven u.a. berechnet was so die regulären Radien sind.


    Im Bahnhof kannst du die Geschwindigkeiten der Nebengleise anhand ihrer Funktion ableiten. In ein Gütergleis fährt man eher mit 40 km/h ein, als mit 60 km/h. Bei modernisierten Strecken im SPNV sind die Bahnsteiggleise auch gerne mal mit 60 km/h trassiert. Dafür lohnt es sich einfach mal ein wenig bei Führerstandsmitfahrten zu schauen wie ein Bahnhof (bspw. Würzburg) aufgebaut ist und wie dort die Einfahrten/Ausfahrten erfolgen.

  • Die meisten Strecken wurden noch von Länderbahnen gebaut. Da lohnt es sich durchaus, zurückzublicken. Dann galt früher für Nebenbahnen 60 km/h, teilweise sogar nur 50 km/h oder gar 40 km/h. Bei Hauptstrecken gab es bei mehreren Länderbahnen, so in Preußen bei der KPEV lange 110 km/h bei Hauptstrecken. Entsprechend sind diese Geschwindigkeiten dann in Mittelgebirgen, weil es die Entwurfsgeschwindigkeit war, auch heute noch vorhanden. Man findet deshalb auch die ungeraden Geschwindigkeiten bei diversen Bahnstrecken. Ich habe beispielsweise bei den Oberpfalz-Strecken über längere Abschnitt lediglich 110 km/h - es war einmal die Entwurfsgeschwindigkeit. Erst mit dem Einsatz der Pendolino wurde das zum Teil angehoben.
    Bei den von den Hauptgleisen erreichbaren Nebengleisen gilt in der Regel 40 km/h, aber schon die DRG (Reichsbahn) war in den 30er Jahren angefangen, auf den Hauptstrecken die Radien der Einfahrten in Kreuzungsgleise von 190 m (40 km/h) auf 300 m oder sogar 500 m anzuheben. So konnten Güterzüge fast mit der damals gültigen Höchstgeschwindigkeit von 65 km/h in Kreuzungsgleise einfahren. Zwischen Osnabrück und Bremen war das zum Beispiel so. So wurde die Streckenkapazität auf 270 Züge angehoben. Buchfahrpläne weisen auf diese unterschiedlichen Geschwindigkeiten hin, dort gibt es einen Wert oft für A oder E angegeben, wo dann 50 oder 60 szeht, also Ausfahrgeschwindigkeit z. B. A 50 für 50 km/h.


    Viele Grüße
    Bernd

    System: HP Z800, 2 x Xeon 5550 2,66 Ghz, 12 GB RAM, Nvidia Quadro 4000

  • Ich würde zunächst mal schreiben, um welche Strecke es sich handelt. Vielleicht hat ja jemand einen Buchfahrplan.
    Größere Chancen gibt es im Historischen Forum von Drehscheibe-online. Da haben manche Leute stapelweise (DB/DR-)Buchfahrpläne - wie ich auch.


    Wenn Du die Strecke nicht verraten willst, musst Du vorgehen wie oben beschrieben.

  • Es handelt sich um die Rodgaubahn vor 2000, genauer der Abschnitt zwischen Rödermark Ober-Roden und dem Offenbacher Hauptbahnhof.


    Siehste, an DSO hab ich gar nicht gedacht, danke für den Tipp @DB-Freund

    Ich habe mir den TS geholt, weil mir Modellbahnen zu teuer sind :ugly:

  • Das Problem ist aber, dass mich die S-Bahn gar nicht interessiert :wacko: mir geht es ja um die Zeit vor der S-Bahn, als es noch Regionalbahn war. Die Führerstandsmitfahrten vom Stadtfernsehen Dreieich bringen mir insofern nicht viel. Deshalb war ja meine Frage im Eingangspost auch, ob ich die "aktuellen" Geschwindigkeiten als Vorlage nehmen kann. Kann ich mir aber nicht wirklich vorstellen, da eine 430 ein ganz anderes Beschleunigungs- und Bremsverhalten hat als eine 212/218.


    Edit: Ich merke gerade, dass ich die letzte Frage gar nicht gestellt habe *dumm*
    Tja, geht sowas denn?

    Ich habe mir den TS geholt, weil mir Modellbahnen zu teuer sind :ugly:

    Einmal editiert, zuletzt von peterpotato ()

  • Hallo @peterpotato ich habe zwar auf den historischen Bildern gesehen, dass dort mechanische Signale standen. Aber viele andere Details - P-Tafeln - unbeschrankte Bahnübergänge sprechen für eine Nebenbahn, also dann für 60 km/h Höchstgeschwindigkeit. Im übrigen gibt es dann auch noch das hier: https://www.amazon.de/100-Jahr…-unendliche/dp/B004I7QXPM


    Gruß Bernd

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  • @bernd_NdeM danke für den Hinweis.
    Lustigerweise hab ich mir genau dieses Buch bestellt und es ist vorgestern angekommen :thumbsup: noch dazu hab ich "Die Eisenbahn in Offenbach und im Rodgau" gekauft, welches heute ankam. Bis jetzt konnte ich da nicht viel hilfreiches lesen, hab es aber auch nur überflogen.


    Sorry, ich weiß, dass du da wahrscheinlich mehr Erfahrung hast, siehe Oberpfalz 1980, aber es will mir einfach nicht in den Kopf rein, das es nicht mehr als 60 km/h gewesen sein sollten. Bin halt verwöhnt von der S-Bahn.

    Ich habe mir den TS geholt, weil mir Modellbahnen zu teuer sind :ugly:

  • ich habe mal bei Wikipedia und dort verlinkten Quellen geschaut und bin zu der Einschätzung gekommen, das die Strecke wohl als einspurige Hauptbahn der DB geführt worden sein kann. Ich gehe da mal von 100 - 120 km/h max. Streckenhöchstgeschwindigkeit aus. Man könnte über Google Earth pi x Daumen den Radius messen von den Kurven und wie @143er schrieb anhand der Überhöhung die Geschwindigkeit festmachen.


    Auch das Messen von der Zungenspitze bis zum Herzstück lassen sich auch die Weichen bestimmen (EW 190,240 etc.) Wenn man dann noch die Sicherheitsabstände berücksichtigt, kann man schon einiges erkennen und ableiten. Ist zwar nicht sogut wie ein authentischer Buchfahrplan, aber besser wie gar nichts. ;)

  • ..also lag ich mit meinem 60 km/h gar nicht so falsch. Die Strecke ist dann wohl Anfang der 70er Jahre bis Ober Roden für 80 km/h ertüchtigt worden. Schön, dass Deine Anfrage erfolgreich war. Dann hast Du für später auch gleich Unterlagen für einen realen Fahrbetrieb.


    Gruß Bernd

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